Im Schutz der Nacht
geschoben und die Wölbung ertastet, die sie in seiner Unterhose gesehen hatte, als er sich umgezogen hatte; die unvermittelte Schärfe ihrer sexuellen Gier verschlug ihr den Atem.
Seit Dereks Tod wollte sie mit niemandem mehr schlafen. Gut, sie hatte sich nach sexueller Befriedigung gesehnt, aber nicht mit jemandem, und lange hatte sie nicht einmal das gewollt. Der Schock und die Trauer hatten ihre Sexualität abgetötet, sie war wie betäubt und so auf die übermenschliche Aufgabe fixiert, jeden Tag zu überstehen, dass es sie nicht einmal gestört hatte, einen Teil ihres Wesens absterben zu sehen. Erst nach einem guten Jahr waren ihre körperlichen Bedürfnisse wiedererwacht, gedämpft, zusammenhanglos, aber immerhin spürbar. Dennoch konnte sie sich immer noch nicht vorstellen, richtigen Sex zu haben, denn die Vorstellung, jemanden zu berühren und berührt zu werden, war ihr inzwischen vollkommen fremd. Dass sie so urplötzlich diese rohe Gier nach ungestümem Sex spürte - nein brauchte -, gab ihr das Gefühl, Derek untreu geworden zu sein, so als hätte sie ihn ganz und gar hinter sich gelassen.
Vielleicht war das auch so. Vielleicht hatte sie sich im Lauf der Jahre so weit von ihm entfernt, dass sie gar nicht mitbekommen hatte, wann er aus ihrem Blickfeld verschwunden war. Natürlich nicht aus ihrem Herzen, sie würde ihn immer lieben, doch diese Liebe war inzwischen erstarrt; die Details blieben immer gleich, nichts änderte sich daran. Nur dass das Leben nicht starr blieb; es ging weiter, es änderte sich, und was sie einst als unmittelbar empfunden hatte, war irgendwann zu einer liebevoll gehüteten Erinnerung verblasst, die einen festen Faden im Muster ihres Lebens darstellte. Nur weil sie Derek geliebt hatte, war sie zu dem Menschen geworden, der sie heute war. Und diese neue Frau tastete sich jetzt an etwas Beängstigendes und gleichzeitig Aufregendes, möglicherweise Lebensentscheidendes heran. Sie wusste nicht, was sich daraus ergeben würde, aber sie war immerhin gewillt, es herauszufinden.
Vorausgesetzt, sie und Cal würden das hier überleben. Ein paar schläfrige Sekunden lang hatte sie sich so in den Betrachtungen über ihre wieder erwachten Gefühle und Bedürfnisse und die köstliche Spannung einer möglichen neuen Beziehung verloren, dass sie ihre bizarre, beängstigende Situation vergessen hatte. Jetzt stürzte die Realität wieder auf sie ein; und doch kam ihr die ganze Nacht gleichzeitig seltsam surreal vor. So etwas passierte einfach nicht. Dies war so weit jenseits ihres Erfahrungshorizonts, dass sie keinen Bezugspunkt mehr fand und keine Ahnung hatte, was sie tun sollte oder was als Nächstes geschehen würde.
Sie lauschte hochkonzentriert; falls sich die Dämmerung bereits angekündigt hatte, merkte sie nichts davon. Um sie herum schlief alles tief und fest oder versuchte es zumindest. Mehrere verschieden tiefe Schnarchtöne akzentuierten die Stille, hin und wieder hörte sie, wie sich jemand umdrehte. Einmal war ein leises Murmeln zu hören, das eventuell von Neenah kam, die sich um Joshua Creed kümmerte.
Cal schob den Arm unter der Decke nach hinten und legte die Hand auf ihre Hüfte, um sie wortlos an seinen Körper zu drücken.
Tränen brannten ihr in den Augen, während sie sich so dicht wie möglich an ihn kuschelte. Das, genau das hatte sie am meisten vermisst, die stille Zweisamkeit in der Nacht, das Wissen, dass sie nicht alleine war. Sie hatten sich noch nicht einmal geküsst, und doch waren sie auf eine Art und Weise verbunden, die sie nicht zu bestimmen vermochte. Sie wusste das ebenso gewiss, wie sie wusste, ob es den Jungs gut ging beziehungsweise wann sie in Schwierigkeiten gerieten. Sie brauchte sie nicht zu sehen; sie brauchte sie nicht zu hören; sie wusste es einfach.
»Schlaf wieder ein«, flüsterte er leise. »Du musst dich ausruhen.«
Sie wollte von ihm gehalten werden, wollte seine Arme um ihren Körper spüren. Als er sie und Neenah nach der Furcht erregenden Episode mit Mellor getröstet hatte, hatte Cate sich zum ersten Mal seit ewigen Zeiten ... sicher gefühlt. Nicht nur weil Cal sie beschützt hatte, obwohl sie ehrlicherweise zugestehen musste, dass ihre Reaktion teilweise darauf zurückzuführen war; einige Urinstinkte ließen sich augenscheinlich nicht besiegen. Doch hauptsächlich war es das unerwartete Gefühl gewesen, nicht mehr allein zu sein.
Die Bitte, sie in die Arme zu schließen, lag ihr auf der Zungenspitze, doch Cate ließ sie
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