Im Schutz der Nacht
ausgedehnter Spaziergang würde.
Es bestand natürlich die Möglichkeit, dass diese beiden Männer gar nichts mit Jeffrey Layton zu tun hatten. Cate konnte nicht von vornherein ausschließen, dass ihr die Phantasie Streiche spielte. Die Stimmen am Telefon hatten ähnlich geklungen, aber das bedeutete nicht, dass es derselbe Anrufer war, wenngleich auch diesmal keine Nummer im Display angezeigt wurde. Die Vorstellung, hier könnte sich eine so finstere Geschichte abspielen, kam ihr selbst reichlich albern vor, aber gleichzeitig war sie auf der Hut.
Die beiden Männer waren absolut höflich. Der Ältere, Mellor, wirkte in seinem Anzug und seiner Krawatte zwar fehl am Platz, aber das allein hatte nichts zu bedeuten. Vielleicht war er direkt von einem geschäftlichen Termin hierhergeflogen und hatte keine Gelegenheit gefunden, Freizeitsachen anzuziehen. Der andere, Huxley, war groß und gutaussehend und eindeutig scharf auf sie. Er hatte sie abgecheckt, doch als sie nicht reagiert hatte, hatte er aufgegeben, statt sie weiter unter Druck zu setzen. Vielleicht waren sie aus einem ganz harmlosen Grund hier ...
Hier begannen sich ihre Gedanken selbst zu widerlegen. Trail Stop lag nicht an der Hauptstraße; hierher kam niemand rein zufällig; hier machte man nicht Halt, nur weil man auf dem Weg woandershin war. Falls Huxley und Mellor nicht hier waren, um nach Jeffrey Layton zu suchen, warum waren sie dann hier? Üblicherweise übernachteten bei ihr Familien, die in den Bergen Ferien machten, Wanderer, Pärchen auf einem romantischen Kurztrip, Angler, Jäger und Kletterer. Sie hätte ihr ganzes Haus darauf verwettet, dass diese Männer weder angelten noch jagten oder kletterten, denn sie hatten keinerlei Ausrüstung mitgebracht. Ein Liebespaar waren sie auch nicht, nicht nachdem Huxley sie so angesehen hatte. Wanderer vielleicht, aber das war wenig wahrscheinlich. Sie hatte nicht gesehen, dass sie Wanderschuhe, Wanderstöcke, Rucksäcke oder irgendwas von den tausend
Kleinigkeiten hereingetragen hätten, die richtige Wanderer bei sich hatten, wenn sie in abgelegenen Gegenden wandern gingen.
Der einzige mögliche logische Grund für ihre Anwesenheit war Layton, und sie wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte.
Sie ging in die Küche, wo sie gerade dabei war, den Jungs ein paar Erdnussbutterkekse zu backen. Neenah Dase saß am Tisch und nippte an einer Tasse Tee. Im Futtermittelladen war wenig los, darum hatte Neenah ein Schild an die Tür gehängt, dass sie bei Cate sei; jeder, der Futtermittel brauchte, würde sie hier finden.
Neenah war eine Einheimische, sie war in Trail Stop geboren und aufgewachsen. Ihr Vater hatte vor über fünfzig Jahren den Futtermittelladen eröffnet. Ihre ältere Schwester hatte es auf dem Land nicht ausgehalten und war »in die Stadt gegangen«, sobald sie die Highschool abgeschlossen hatte; inzwischen lebte sie glücklich und zufrieden in Milwaukee. Cate wusste wenig über Neenah, außer dass sie früher Nonne gewesen war oder wenigstens Novizin - Cate wusste nicht, ob eine Frau ihren Orden noch verlassen konnte, nachdem sie Nonne geworden war - und dass sie vor etwa fünfzehn Jahren heimgekommen war, um den Futtermittelladen zu übernehmen. Als ihre Eltern starben, erbte Neenah den Laden. Sie hatte nie geheiratet und, soweit Cate wusste, nie einen festen Freund gehabt.
Neenah war einer der ruhigsten und in sich ruhendsten Menschen, die Cate je getroffen hatte. Ihr hellbraunes Haar hatte einen aschfarbenen Unterton, der ihm einen silbrigen Glanz verlieh. Ihre Augen waren strahlend blau, ihre Haut weiß wie Porzellan. Sie war keine Schönheit; dafür war ihr Kinn zu kantig und ihr Gesicht zu asymmeirisch, aber sie gehörte zu den Menschen, die Cate zum Lächeln brachten, sobald sie nur an sie dachte.
Cate mochte die meisten Einwohner von Trail Stop, aber Neenah und Sherry standen ihr am nächsten. Beide waren angenehme Menschen, Sherry, weil sie eine solche Frohnatur war, Neenah, weil sie so still war.
Still bedeutete aber nicht auf den Kopf gefallen. Cate setzte sich an den Tisch und sagte: »Zwei meiner Gäste machen mir Sorgen.«
»Was für Gäste?«
»Zwei Männer.«
Neenahs Teetasse verharrte dicht vor ihren Lippen. »Du hast Angst davor, mit ihnen in einem Haus zu sein?«
»Nichtso,wie du meinst.« Cate massierte ihre Stirn. »Ich weiß nicht, ob du es weißt...«, nachdem Trail Stop so klein war, verbreiteten sich Gerüchte Instant-Messenger-schnell, »... aber einer
Weitere Kostenlose Bücher