Im Schutz der Nacht
Antworte!«
Erleichterung überlief sie in einer heftigen Woge, und ein Schrei löste sich aus ihrer Kehle. Gerade als sie nach vorn stürzte, gab die Tür endgültig nach und knallte heftig gegen den Türstopper. Eine Taschenlampe leuchtete auf, fegte mit ihrem Strahl über Cates Gesicht hinweg und blendete sie. Sie warf den Arm hoch, um ihre Augen abzuschirmen, und kam schlitternd zum Stehen, während sie etwas zu erkennen versuchte. Hinter dem grellen Strahl war nur der grobe Umriss eines Mannes erkennbar, der auf sie zugerast kam, viel zu schnell, als dass sie ihm ausweichen konnte.
17
Es war, als würde sie gegen eine Mauer laufen. Sein Körper kollidierte mit solcher Wucht mit ihrem, dass ihr das Messer aus der Hand flog und klappernd durch den Korridor schlitterte. Der gleißende Strahl seiner Taschenlampe schwenkte wild hin und her wie ein Disco-Scheinwerfer, bevor er auf einem Punkt an der Wand zu liegen kam. Sie taumelte zurück, suchte verzweifelt nach einem Halt, egal wo, um ihren Fall abzubremsen, und merkte, dass sie sich an einer festen, muskulösen Taille festkrallte. Sie hätte ohnehin nicht hinfallen können, weil eine stählerne
Hand ihren Rücken gepackt hatte und sie auf den Beinen hielt.
Wieder verschwamm alles um sie herum, sie meinte den Boden unter den Füßen zu verlieren. Nichts von alledem war wahr; das war unmöglich. Sie war nur Cate, eine gewöhnliche Frau, die ein gewöhnliches Leben führte; auf sie wurde bestimmt nicht geschossen.
»Schon okay«, murmelte Cal in ihr Haar. »Ich halte dich fest.«
Sie hörte ihn sprechen, aber was er sagte, ergab keinen Sinn, da er ein Teil des ganzen surrealen Erlebnisses war. Dieser Mann war nicht der Mann, den sie seit drei Jahren kannte. Mr Harris hätte sie nie so im Arm gehalten, hätte niemals ihre Tür eingetreten und sie mit einer Flinte in der Hand über den Haufen gerannt wie ein muskelstrotzender, gewissenloser Krieger ...
Aber genau das hatte er getan.
Der Körper, an den sie sich klammerte, war fest und muskulös und strahlte ungeheuere Hitze aus. Cal atmete keuchend, als wäre er gerannt, und er hatte den gesenkten Kopf gegen ihre Stirn gedrückt. Außerdem hielt er sie im Arm - sie war schon so lange nicht mehr auf diese Weise gehalten worden, dass sie völlig perplex und fassungslos war. Mr Harris ? Cal?
Ihr Körper flüsterte Ja. Dieser Gedanke war noch irritierender und brachte sie mehr und mehr aus der Balance. Wie pervers war sie eigentlich, plötzlich auf den Hilfsklempner scharf zu sein, während draußen offensichtlich die ganze Ortschaft angegriffen wurde? Das da draußen hörte sich eindeutig nach einem Krieg an, trotzdem hatte sie das Gefühl, als wären sie beide in einem kleinen, abgeschiedenen Kokon gefangen, in den die Realität nicht eindringen konnte. Einen Moment lang spannte sich sein
Arm an und zog sie noch näher, bis sie die Wölbung seines drängenden, suchenden Geschlechts spürte ... dann ließ er sie los, trat zurück und bückte sich, um die Taschenlampe aufzuheben.
Cate blieb wie angewurzelt stehen und versuchte die Zeit um eine halbe Stunde zurückzudrehen, als alles noch in Ordnung gewesen war, bevor irgendwelche Dinge explodiert waren und geschossen wurde und alles, was sie kannte oder zu kennen meinte, auf den Kopf gestellt wurde.
Cal hängte den Gurt seiner Flinte über die Schulter, hob das große Küchenmesser auf, das sie fallen gelassen hatte, und betrachtete es mit grimmiger Billigung. Er hielt die Taschenlampe auf den Boden gerichtet, doch der kräftige Strahl war so stark, dass sie ihn daneben erkennen konnte, sofort drohte ihr wieder der Boden unter den Füßen wegzurutschen.
Bisher hatte sie ihn immer nur in seinem ausgebeulten Overall gesehen, mit Schmierölflecken, Farbe oder weiß Gott was bekleckert, je nachdem, woran er an dem betreffenden Tag gearbeitet hatte. Sie hatte ihn als dünnen, schüchternen Hilfshandwerker abgestempelt, als einen simplen, aber nützlichen Zeitgenossen. Dieses Bild hatte die ersten Kratzer bekommen, als sie in seine Augen geschaut hatte, während er über den Lauf seiner Flinte hinweg Mellor anvisiert hatte, und war jetzt unwiederbringlich ausgelöscht.
Er trug die üblichen Arbeitsstiefel, aber das war das Einzige, was so war wie sonst. Die khakifarbene Kampfhose wurde von einem Gürtel an der Taille gehalten, und trotz des kühlen Wetters trug er nur ein T-Shirt, das sich um breite Schultern und einen muskulösen, durchtrainierten Oberkörper
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