Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
wenn sie nicht dort waren, wo waren Janne und seine Freundin dann?
Irene rief alle Flughäfen in der Nähe von Göteborg an. Nachdem sie sämtliche Abflüge des Vortages durchgegangen war, stand fest, dass weder Jan-Erik Månsson noch Jeanette Stenberg einen Platz in einer der Maschinen nach Mallorca gebucht hatten. Hingegen stieß sie auf eine Buchung Jan-Eriks nach Miami. Ein Hinflug für Montagfrüh. Richtig interessant war jedoch der Umstand, dass er nie eingecheckt hatte. Wenn alles nach Plan gelaufen wäre, hätte er sich inzwischen irgendwo in den USA befunden. Aber etwas musste geschehen sein. Wo ist dieser verdammte Typ nur? Und warum hat er Krister angelogen?, überlegte Irene.
Sie griff zum Telefonhörer und wählte Jan-Eriks Telefonnummer. Zu Hause hob niemand ab. Bei seinem Handy meldete sich die Mailbox.
Nach einiger Recherche gelang ihr, die Privat nummer Jeanette Stenbergs herauszufinden. Auch hier hob niemand ab. Sicherheitshalber rief Irene noch im Restaurant Sjökrogen an. Vielleicht wusste dort jemand, wo Jeanette war.
Irene war gelinde gesagt erstaunt, als sich am anderen Ende eine Frau meldete und sagte:
»Sjökrogen. Guten Tag. Hier ist Jeanette.«
»Ach … Hallo. Hier ist Irene Huss. Die Frau von Krister Huss. Ich bin Kriminalinspektorin und …«
»Ich weiß, wer Sie sind. Hallo. Wir sind uns mal begegnet, als ich noch im Glady’s gearbeitet habe. Womit kann ich Ihnen helfen?«
Irene erinnerte sich an eine üppige Blondine Anfang vierzig. Und an ihr perfekt sitzendes schwarzes Kostüm mit der strahlend weißen Bluse. Nicht jedoch an ihr Gesicht.
»Ich würde mich gerne mit Janne unterhalten. Wissen Sie, wo er ist?«, fragte Irene unbeschwert.
Es entstand eine kurze Pause, dann sagte Jeanette:
»Hat das was mit Ihrer Arbeit zu tun?«
»Ja. Ich möchte mit ihm reden.«
»Ist ihm was zugestoßen?«
»Nein. Wir wollen nur gerne im Zusammenhang mit dem Sprengstoffanschlag gestern Abend mit ihm sprechen. Davon haben Sie heute Morgen sicher schon gehört.«
»Ja, natürlich. Die Nachrichten waren ja voll davon. Fürchterlich! Aber was hat das mit Janne zu tun?«
»Das wissen wir nicht. Wir müssen mit ihm sprechen, um gewisse Fragen zu klären. Wissen Sie, wo er ist?«
»Nein, in der Tat nicht. Ich habe gestern Abend versucht, ihn zu erreichen, aber das ist mir nicht gelungen.«
»Wann haben Sie zuletzt mit ihm gesprochen?«
»Sonntagabend. Wir haben bei mir zu Hause zu Abend gegessen.«
»Wann ist er gegangen?«
»Kurz nach elf. Er wollte nicht bei mir übernach ten, weil er am nächsten Morgen früh aufstehen wollte, um seine Wohnung aufzuräumen. Er will sie verkaufen. Der Makler wollte am Vormittag mit einem potentiellen Käufer vorbeikommen.«
Nein, Janne wollte nicht aufräumen. Er wollte ohne dich nach Florida, dachte Irene, aber sagte es nicht.
»Haben Sie eine Vorstellung, wo er sein könnte?«, fragte sie stattdessen.
»Nein.«
Es wurde einige Sekunden lang still am anderen Ende, dann holte Jeanette Stenberg rasch Luft und fuhr fort:
»Falls er nicht irgendwo Poker spielt. Dann vergisst er alles andere. Das hat er den ganzen Sommer über nicht mehr getan, aber vielleicht ist es jetzt wieder so weit.«
Eine deutliche Bitterkeit schwang in ihrer Stimme mit.
»Haben Sie einen besonderen Grund für diese Vermutung?«, fragte Irene vorsichtig.
»Ja … er wirkte letzten Sonntag sehr unkonzentriert. Er hat mir nicht zugehört und kaum geantwortet. Ich wurde sauer … aber jetzt ist mir natürlich auch klar, dass das wieder seine Spielsucht gewesen sein könnte. Dann wirkt er immer etwas … geistesabwesend.«
Ihre Stimme versagte. Irene hörte, dass sie mit den Tränen kämpfte.
»Ist es früher schon mal vorgekommen, dass er so lange weg war?«, fuhr Irene fort.
»Ja.«
War es wirklich so einfach, dass er in irgendeiner Spielhölle saß und alles um sich herum vergessen hatte?
»Um welches Glücksspiel handelt es sich?«
»Alles, wirklich alles. Solange es nur um Geld geht. Aber er hatte mir versprochen, dass er aufhören würde. Seine Therapie gegen Spielsucht … hat ja bestens funktioniert!«
Sie begann laut zu schluchzen und bat Irene dann, einen Augenblick zu warten. Irene hörte, wie sie sich die Nase putzte. Dann räusperte sie sich einige Male laut.
»Suchen Sie ihn im Casino Cosmopol oder bei der Trabrennbahn in Åby. Es gibt auch etliche Pokerclubs, die er frequentiert hat. Ich weiß allerdings nicht, wie sie heißen und wo sie liegen.
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