Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
zurück!«
Irene und ihre Kollegen drängten sich zu dem Kommissar durch, der mitten im Gewimmel stand. Die beiden Beamten der Ordnungspolizei versuchten die weinenden und schreienden Menschen, die auf sie zudrängten, in Schach zu halten.
Auf der Erde lag Danni Mara. Erschossen. Die Vorderseite seines Körpers war von Blut getränkt. Das Blut drang aus einer Wunde in der Herzregion, aber inzwischen war der Strom versiegt, was darauf schließen ließ, dass sich kaum noch Blut in seinem Körper befand und er inzwischen tot war. Zwischen den Brauen fand sich wie ein grauenvolles, drittes Auge ein weiteres Einschussloch.
Neben Dannis Leiche standen seine beiden Leib wächter und blickten hilflos drein. Sie hatten allen Grund zur Sorge, denn ganz offensichtlich hatten sie versagt.
Aus den Augenwinkeln bemerkte Irene eine Bewegung in der Menge. Diese teilte sich, und Andy Mara trat auf den Toten zu. Sein Schlips hing ungebunden um seinen Hals, und die beiden oberen Knöpfe seines Hemds waren geöffnet. Sein Gesicht war hochrot, und er wirkte sehr erregt. Irene fiel auf, dass seine Augen unnatürlich glänzten und dass seine Pupillen geweitet waren.
»Fuck Aina! Wenn ihr schon das Fest ruinieren und die Gäste belästigen müsst, dann könnt ihr doch wenigstens eure Arbeit machen! Oder hat man euch für’s Nichtstun bezahlt? Was? Verdammte Bullen schweine!«
Seine Stimme überschlug sich. Er zitterte vor Wut. Kommissar Stefan Bratt kniff die Augen zusammen und sah ihn finster an.
»Und wo waren Sie bis eben? Es sind mehrere Minuten seit den Schüssen vergangen«, sagte er ruhig.
Andy Mara holte entrüstet Luft, aber antwortete nicht. Seine Augen verrieten für den Bruchteil einer Sekunde reines Entsetzen.
In der Ferne hörte man Sirenen, die näher kamen. Mehrere Einsatzfahrzeuge waren unterwegs, aber für Danni Mara kam jegliche Hilfe zu spät.
I rene gelang es, einen der Ruheräume des Präsidiums zu ergattern, um ein paar Stunden zu schlafen. Als sie erwachte, hatte sie das Gefühl, ein kleines haariges Tier sei in ihren Mund gekrochen und dort gestorben. Dem Geschmack nach zu urteilen verweste es bereits.
Sie hatte in Kleidern geschlafen und nur die Jacke ausgezogen und als Decke verwendet. Glücklicherweise hing ihre Zivilkleidung in ihrem Spind. Im fahlen Licht der Dämmerung trat sie auf den Korridor und ging zur Umkleide und der verlockenden Dusche. Sie duschte ausgiebig und hatte das Gefühl, dass die Wasserstrahlen Leben in ihren übermüdeten Körper peitschen. Die Nacht war sehr intensiv und anstrengend gewesen.
Nachdem sie sämtliche Cremchen ihres kleinen Notfallnecessaires aufgetragen hatte, sah sie sogar richtig vorzeigbar aus. Das Necessaire lag immer in ihrer Schreibtischschublade und enthielt alle möglichen Gratisproben und kleine Tuben verschiedener kosmetischer Produkte. Sogar eine Miniwimperntusche hatte sie auf dem Boden des Necessaires gefunden.
Irene holte sich ein in Folie verpacktes Käsebrot in der Kantine und nahm dann den Fahrstuhl nach oben. Stefan Bratt hatte eine Besprechung aller Mitglieder des Dezernats für schwere Kriminalität und des Dezernats für organisiertes Verbrechen für acht Uhr anberaumt. Ein Blick auf die Uhr verriet, dass diese sicher bereits begonnen hatte. Sie musste sich deswegen nicht abhetzen. Schließlich war sie am Vorabend und in der Nacht dabei gewesen. Deswegen hatte sie es auch nicht sonderlich eilig, als sie sich zwei Becher Kaffee aus dem Automaten ließ. Nein, sie würde keinen abgeben, beide gehörten ihr, und sie würde sie notfalls mit ihrem Leben verteidigen. Jedenfalls fühlte sie sich im Augenblick so.
Als Irene durch die Tür des großen Konferenzsaales schlüpfte, merkte sie, dass die Besprechung noch nicht richtig begonnen hatte. Kommissar Bratt stand mit ernster Miene vorne am Whiteboard. Er hatte Schatten um die Augen, und sein ohnehin schon schmales Gesicht wirkte in dem harten Licht des Morgens, das durch die hohen Fenster fiel, noch schmaler. Willkommen an der Front, dachte Irene und lächelte in den ersten Becher Kaffee dieses Morgens.
Irene fand einen freien Stuhl neben Fredrik Stridh. Auf seiner anderen Seite saß Ann Wennberg. Etwas weiter weg sah sie Sara Persson, die sich mit einem Kollegen von der Ordnungspolizei, der am Vorabend in Sävedalen dabei gewesen war, unterhielt. Irene winkte ihr fröhlich zu. Sie konnte Sara wirklich gut leiden.
»Jetzt sind vermutlich die meisten hier, wir sollten also anfangen«, sagte
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