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Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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diesen Impuls also und zwang sich dazu, die Kollegin anzulächeln.
    »Natürlich.«
    Ann nahm Platz. Fast sofort tauchte der Kellner auf und nahm ihre Bestellung entgegen, eine Calzone und ein großes Glas Eiswasser.
    »Wenn ich jetzt Alkohol trinken würde, dann schlafe ich direkt hier am Tisch ein«, sagte sie.
    »Bei mir ist es genauso«, erwiderte Irene und deutete auf ihr leeres Wasserglas, in dem noch ein halbgeschmolzener Eiswürfel lag.
    »Klug«, meinte Ann.
    »Ja. Sara und ich haben den ganzen Tag nichts Gescheites gegessen.«
    »Ich auch nicht. Aber Sara ist doch wohl nach Hause gefahren? Ich glaube, sie hat einen Freund erwähnt.«
    »Ja. Sie wohnt mit ihrem Freund zusammen.«
    Der Kellner brachte Anns Eiswasser und Besteck und eine Serviette und betrachtete dabei bewundernd ihr rot schimmerndes Haar. Ann schien das nicht aufzufallen.
    »Ich habe gehört, dass dein Mann Koch ist. Muss er heute arbeiten? Ich meine, weil du hier isst?«, fragte Ann.
    »Nein.«
    Irene war plötzlich auf der Hut. Anns Fragen wirkten zwar freundlich-interessiert, passten Irene jedoch nicht in den Kram. Sie hatte keine Lust, über den momentanen Verbleib ihrer Familie zu sprechen. Ganz abgesehen davon, dass sie nicht wusste, wo sie sich im Moment aufhielten, ging Ann das nicht das Geringste an. Um weiteren Fragen zuvorzukommen, erkundigte sich Irene unumwunden:
    »Und du? Wohnst du mit jemandem zusammen?«
    »Nein. Ich bin geschieden. Es war allerdings nur eine kurze Ehe. Wir sind als Freunde auseinandergegangen«, antwortete Ann.
    »Bist du deswegen nach Göteborg gezogen?«
    »Nein. Ich habe mich bei der Einsatzpolizei beworben und bin genommen worden. Als erste Frau noch dazu. Seit einem halben Jahr arbeite ich bei dem Dezernat für Gewaltverbrechen. Göteborg ist außerdem eine bessere Stadt für Singles«, meinte sie lächelnd.
    »Das verstehe ich«, erwiderte Irene und versuchte, das Lächeln zu erwidern.
    Der Kellner stellte Anns dampfende Pizza auf den Tisch. Von dem Geruch wurde Irene beinahe übel. Ihr brach der kalte Schweiß aus. Sie hatte das dringende Bedürfnis zu gehen. Sie war so müde, dass ihr schlecht wurde. Rasch sagte sie:
    »Entschuldige, aber es geht mir nicht gut. Ich habe in dieser Woche etwas wenig geschlafen, und gegessen habe ich auch nicht ordentlich. Die Pizza liegt mir wie ein Stein im Magen.«
    »Kein Problem. Du brauchst nicht auf mich zu warten. Fährst du jetzt nach Hause?«
    Irene stutzte ob dieser Frage, nahm sich dann aber zusammen.
    »Ja. Direkt heim und ab in die Falle.«
    »Soll ich dich fahren?«
    »Danke, nein. Ich nehme das Fahrrad.«
    »Okay, also dann. Bis morgen«, sagte Ann und schob sich ein großes Stück Pizza auf die Gabel.
    Geschmolzener Käse baumelte als zäher Faden auf den Teller. Bei dem Anblick drehte sich Irene der Magen um. Rasch machte sie kehrt und verschwand ins Freie.
    Jegliche Kraft hatte sie verlassen. Bis nach Jonsered zu radeln erschien ihr vollkommen unmöglich. Irene beschloss, ihr Fahrrad sicher hinter Schloss und Riegel im Präsidium stehen zu lassen, und machte sich stattdessen auf den Weg zum Hauptbahnhof und von dort weiter zum Nils-Ericson-Busterminal. Auf einer großen Anzeigetafel konnte man die Ankunfts- und Abfahrtszeiten nachlesen. Ihr Bus würde in genau 17 Minuten fahren. Sie sah aus den Augenwinkeln, dass am Tresen des Café Expresso keine Schlange stand. Rasch eilte sie dorthin und bestellte einen Kaffee zum Mitnehmen. Das war genau, was sie brauchte, um sich im Bus wach zu halten. Mit dem warmen Becher in der Hand ging sie zu der Apotheke, die auch abends geöffnet hatte. Sie brauchte Tampons und Slipeinlagen. Eigentlich war gerade Ladenschluss, aber die freundliche Verkäuferin ließ sie trotzdem noch einkaufen. Zufrieden kehrte Irene in die Menschenmenge zurück. Sie stellte ihren Becher auf einen freien Tisch vor McDonald’s ab und löste mit ihrem Handy ein SMS -Ticket für den Bus. Praktisch. Wie war man bloß zurechtgekommen, ehe Handys erfunden wurden? Mit Rauchzeichen? Hilfe, ich bin wirklich müde, dachte Irene, als sie bei diesen kindischen Gedanken laut zu kichern begann. Verlegen schaute sie sich um und sah ihn, ehe er sie entdeckte.
    Jorma Kinnunen, der stellvertretende Boss des Gothia MC .
    Er trat durch die automatischen Türen zwischen Hauptbahnhof und Nils-Ericson-Busterminal. Ob wohl er eine verspiegelte Sonnenbrille trug, erkannte sie ihn sofort. Er blieb stehen und schaute den Hauptgang entlang, in dem sich die meisten

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