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Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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erwiderte Tommy und klappte die Mappe zu.
    Irene war klar, dass er den Zettel vernichten würde, sobald sie das Büro verlassen hatte.
    Nach dem Abendessen, Nudeln mit Krabben aus einem Thairestaurant in Partille, versuchte Irene das Gespräch auf den Informanten im Präsidium zu len ken. Tommy wirkte jedoch nicht willens, sich mit diesem Thema zu befassen. Als sie zum vierten Mal auf die Frage zurückkam, fiel er ihr ungeduldig ins Wort:
    »Es ist zu deinem Besten«, sagte er kurz.
    »Meinem Besten.«
    Sie war gelinde gesagt erstaunt. Was meinte er?
    »Jemand im Präsidium gibt Informationen weiter. Wir wissen nicht, wer. Deine Familie wird bedroht. Vielleicht hat der Gothia MC dich persönlich bedroht. Vielleicht wirst du ja gezwungen, diese Informationen weiterzugeben«, meinte er.
    Er lächelte ironisch, um zu zeigen, dass er selbst nicht an das Szenario glaubte, das er gerade entworfen hatte. Irene fehlten anfangs die Worte, aber dann wurde sie wütend.
    »Bist du jetzt vollkommen übergeschnappt? Soll ich etwa …«
    Er fiel ihr ins Wort, ehe sie noch wütender werden konnte.
    »Nein. Ich glaube nicht, dass du es bist. Aber Bratt ist sich da schon weniger sicher. Es ist also besser, wir sprechen nicht darüber.«
    Die beiden Kommissare hatten die Sache also unter vier Augen besprochen. Und Stefan Bratt hegte den Verdacht, dass sie … Irene holte tief Luft und versuchte sich zu beruhigen. Unter Aufbietung größter Willensanstrengung gelang es ihr dann, die Sache professionell zu betrachten. Nach einer Weile sah sie ein, dass die beiden Kommissare richtig dachten. Im Augenblick wussten sie nicht, wer der Schuldige war, also mussten alle verdächtigt werden. Den Rocker banden war es geglückt, mit der Zersetzung von Demokratie und Justiz bis ins Präsidium vorzudringen. Es war ihnen gelungen, die Polizei zu infiltrieren.

D ie Bombe in Örgryte explodierte Montagmorgen Punkt sieben Uhr. Es gab einen gewaltigen Knall, die Haustür wurde eingedrückt, und in der Diele begann es zu brennen. Sämtliche Fensterscheiben auf der Vorderseite des ordentlichen Einfamilienhauses zerschellten. Ein älterer Mann im Nachbarhaus zog sich Schnittwunden zu, als das große Wohnzimmerfenster auf ihn stürzte. Seine Ehefrau erlitt einen Schock, und beide wurden ins Krankenhaus gebracht, obwohl sie nicht ernsthaft verletzt waren.
    Glücklicherweise befand sich zu der Zeit niemand in dem Haus, auf dessen Schwelle die Bombe explodierte. Staatsanwältin Gunilla Åkesson hatte den Fall eines erkrankten Kollegen in Vänersborg übernehmen müssen und um rechtzeitig zum Gerichtstermin zu erscheinen, fuhr sie bereits gegen sechs von zu Hause los. Ihr Mann war am Vorabend zu einem Ärztekongress nach London geflogen, und ihre beiden erwachsenen Söhne wohnten nicht mehr zu Hause.
    Gunilla Åkesson galt als furchtlos und hatte schon mehrere Prozesse gegen verschiedene Rockergruppen angestrengt. Auf dem Gebiet des organisierten Verbrechens in Västra Götaland wurde sie als Autorität angesehen.
    Der zu verhandelnde Fall in Vänersborg betraf zwei Männer, die Kontakte zu den kriminellen Bikerkreisen der Stadt pflegten. Kläger war der ehemalige Eigentümer eines kleinen Restaurants, ein Iraner, der sich abgerackert hatte, um das Lokal kaufen zu können. Es war beliebt gewesen, und er hatte für seine Familie und sich auf eine freundlichere Zukunft gehofft. Da tauchten die beiden Rocker auf. Sie drohten mit Unannehmlichkeiten für seine Familie und sein Restaurant und forderten 200 000 Kronen. Der Eigentümer hatte das Geld nicht und ging sofort zur Polizei.
    Er und seine Familie mussten untertauchen und lebten seitdem versteckt. Auch das Restaurant mussten sie verkaufen. Der Mann war verzweifelt, aber er zog seine Anzeige nicht zurück.
    Irene erkannte überdeutlich die Ähnlichkeiten des Falles in Vänersborg mit dem, in den ihre eigene Familie verwickelt war. Die Bombe unter ihrem Auto und der Sprengsatz vor der Tür der Staatsanwältin in Örgryte waren in einem Abstand von nur einer Woche detoniert.
    Irene schauderte es, und sie zog ihre Jacke zu, um sich gegen die Feuchtigkeit des Morgens zu schüt zen. Einige hölzerne Bruchstücke der Haustüre lagen qualmend auf dem Plattenweg vor der Außentreppe. Zum dritten Mal innerhalb einer Woche befand sie sich an einem Tatort, der in Brandgeruch eingehüllt wurde. Durch die Türöffnung sah sie die verkohlten Reste von Dingen, die wahrscheinlich einmal ein Teppich, eine Kommode und ein

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