Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
Kühlschrank.
»Es gibt nur noch ein Bier«, hörte sie ihn aus dem Kühlschrank sagen.
»Das ist okay. Ich will ohnehin keines. Wasser ist ausgezeichnet.«
Mit einem geübten Griff öffnete Irene den Küchenschrank, in dem ein großer Krug stand, und nahm ihn heraus. Im Gefrierfach fand sie ein paar Eiswürfel und füllte den Krug dann mit kaltem Wasser aus dem Wasserhahn. Sie einigten sich darauf, aus dem Karton zu essen, gönnten sich aber Besteck und Gläser. Gerade als sie sich setzen wollten, ging Tommys Nachbarin am Küchenfenster vorbei und spähte hinein. Das Lamellenrollo war zwar herabgelassen, aber sowohl Tommy als auch Irene hatten vergessen, es anzuwinkeln. Die Nachbarin hatte vermutlich bemerkt, dass Tommy Damenbesuch hatte, denn sie schaute schnell weg, als ob nichts gewesen wäre.
»Wir essen vor dem Fernseher«, entschied Tommy.
Sie trugen die Kartons ins Wohnzimmer. Das Fenster dort ging Richtung Garten. Eine große, ungestutzte Fliederhecke schützte vor Einblicken. Mit gutem Appetit machten sie sich über die Pizzen her. Als Tommy nur noch ein Viertel übrig hatte, besaß er wieder genügend Energie, um über seinen Tag zu sprechen.
»Wir mussten bereits um zehn eine improvisierte Pressekonferenz abhalten. Viel mehr, als dass zwei Unbekannte Kazan erschossen und gleichzeitig eine Polizistin, die sich zu der Zeit im Zimmer befand, niedergeschlagen haben, gab es allerdings nicht zu sagen. Wir berichteten über die Kokain-Beschlagnahme bei Kazan und deuteten an, dass seine Ermordung mit dem Drogenfund zusammenhängen könne. Natürlich erwähnten wir nicht, dass Kazan und Fendi Patrik Karlsson den Stoff abgenommen hatten, und auch nicht, um welche Menge es sich handelte. Schließlich wäre es ja dumm, den Gothia MC von unserem Wissen in Kenntnis zu setzen, dass er für den Mord an Gonzales und seinen Kumpan auf dem Segelboot verantwortlich ist.«
Er hielt inne und trank den letzten Schluck aus der Bierdose. Mit einem demonstrativen Seufzer goss er dann Eiswasser in das Glas, das Irene für ihn mitgenommen hatte.
»Dann ging es hektisch weiter. Die Morde an Patrik Karlsson, Jan-Erik Månsson, Danni Mara und Kazan Ekici sind alle innerhalb von zehn Tagen verübt worden. Wir verfügen nicht über die Ressourcen dieser Massenmorde, mit denen sich die Banden die Zeit vertreiben, Herr zu werden. Und jetzt auch noch die Verbindung zu dem Doppelmord in der Nähe von Varberg. Aber darum kümmern sich Interpol, das Rauschgiftdezernat und die Ermittler in Halland.«
Irene prostete ihm mit ihrem Wasser zu.
»Im Augenblick träume ich von einer Versetzung nach Midsomer. Dort sterben die Leute auch wie die Fliegen, aber sie wahren die Form dabei. Und die englischen Kollegen fahren mit Luxuslimousinen durch die Gegend und verbringen ziemlich viel Zeit in gemütlichen Pubs«, sagte Irene.
Ein müdes Lächeln huschte über Tommys Gesicht.
»Wir haben getan, was wir konnten, und versucht, halbwegs Ordnung in dieses Chaos zu bringen. Heute haben unsere Leute Zeugenvernehmungen im Krankenhaus durchgeführt, vor allen Dingen auf der Station, auf der sich Kazan befand. Die Mörder sind von etlichen Leuten gesehen worden, aber niemand konnte sie richtig beschreiben.«
»Und die Überwachungskameras?«
Tommy nickte.
»Wir haben beide Täter auf den Filmen gefunden. Sie betraten das Krankenhaus um 18.02 Uhr und verließen es um 18.17 Uhr. Die Sache dauerte also nur eine Viertelstunde. Gut vorbereitet. Leider lassen sie sich anhand der Überwachungskameras nicht identifizieren. Beide trugen Jeans und Kapuzenjacken ohne Aufdruck. Als sie das Krankenhaus betraten, hatten sie die Kapuzen übergestreift. Der stämmigere der beiden betrat die Station zuerst. Er löste den Alarm aus, indem er die Sauerstoffversorgung und EKG -Überwachung eines Patienten unterbrach.«
Irene stellte ihr Glas mit einem Knall auf dem Tisch ab.
»Augenblick mal. Woher konnten sie wissen, auf welcher Station und in welchem Zimmer Kazan lag? Ich erfuhr das erst auf der kardiologischen Intensivstation. Von dort aus haben sie mich weitergeschickt. Es ist mir unbegreiflich, wie diese beiden Typen gezielt die richtige Station und das richtige Zimmer fanden«, meinte sie.
Tommy saß lange da und starrte auf seine Pizza, ohne weiterzuessen. Plötzlich holte er tief Luft und sah Irene an. Einen Augenblick lang blitzte etwas in seinen Augen auf. Das konnte Angst sein, aber Irene war sich nicht sicher. Rasch wich er ihrem Blick aus und schaute
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