Im sinnlichen Bann des Sizilianers
Leidenschaft hatte sie beide der Realität entrissen und auf eine kurze, atemberaubende Reise geschickt. Und dann hatte das Schicksal seinen Lauf genommen.
Er konnte sich noch gut an den Nachmittag erinnern, als Louise ihm zum ersten Mal über den Weg gelaufen war. Sie spazierte gerade die staubige Straße entlang, die aus dem Dorf hinaus zum castello führte: offene Haare, unverschämt enge Kleidung an ihrem aufreizenden Körper und blitzblanke, intelligente Augen in einem hübschen Gesicht. Ihre ganze Haltung zeugte von trotziger Rebellion gegen die altmodische Lebensart der Umgebung und gegen ihre provinziellen Bewohner. Man sah sie häufiger Bier aus der Flasche trinken, lachend über den Marktplatz tanzen und die Dorfjugend dazu aufrufen, sich gegen ihre Eltern aufzulehnen.
Sie bedachte Caesar mit einem abschätzenden, feindseligen Blick. Ihn amüsierte ihre freche Attitüde, und er fand Louise auf Anhieb interessant. Keines der Mädchen im Ort hätte sich getraut, ihm so direkt in die Augen zu sehen. Er fragte Louise, wohin sie unterwegs sei. Daraufhin warf sie ihre schwarz gefärbte Mähne zurück und antwortete, dass man hier in der Gegend nirgendwo hingehen konnte und sie es kaum erwarten könne, zurück nach London zu fahren. Dort wolle sie die National Portrait Gallery besuchen und sich auf ihr Kunststudium vorbereiten.
Sofort merkte er, wie stark ihre Anziehungskraft war. Als zweiundzwanzigjähriger Mann war nichts Subtiles dabei, wenn man sich für ein Mädchen interessierte! Caesar wusste, was er wollte. Allerdings durfte er sich nicht auf Louise einlassen. In London mochte sie eine normale Städterin sein, aber hier auf Sizilien gehörte sie zu der Gemeinde, für die er Verantwortung trug. Und trotzdem lud er sie auf das Schloss ein, damit sie dort die alten Gemälde bewundern konnte.
Sie war ganz rot geworden und sah plötzlich unheimlich zerbrechlich und feminin aus.
„Dir passiert schon nichts“, sagte er aus einem Beschützerimpuls heraus. „Darauf gebe ich dir mein Wort.“
„Und das Wort eines Herzogs wiegt wohl um einiges schwerer als das eines Normalsterblichen, was?“, neckte sie ihn.
Es sollte nicht der letzte anregende Schlagabtausch mit ihr werden, und Caesar genoss jeden einzelnen davon. Und auch wenn sie dabei eine gewisse Grenze niemals überschritten, prickelten diese Gespräche vor Erotik. Auch den ganzen Weg hoch zum castello lieferten sie sich ein Wortgefecht – wie zwei duellierende Schwertkämpfer.
Dann zeigte er ihr die Ahnengalerie und die Kunstsammlung seiner Familie. Sofort identifizierte sie Werke der großen Meister und erwies sich als echte Expertin auf dem Gebiet. Vor allem war sie überrascht, dass er für sein eigenes Portrait einen so modernen und kontroversen Maler wie Lucian Freud ausgesucht hatte.
„Ich wette, das gefällt Aldo Barado kein bisschen“, bemerkte sie lachend, und Caesar musste ihr wohl oder übel zustimmen, sie hatte recht.
„Er ist ein guter Mann“, hatte er den Gemeindevorsteher verteidigt. „Ich schätze seinen Rat und seine Erfahrung.“
„Auch seine Methoden, die Leute hier in archaischen Gedankenmustern gefangen zu halten? Ganz besonders die Frauen?“
„Zugegeben, er hat seinen Stolz, und den will ich nicht verletzen. Trotzdem ist mir klar, dass es Veränderungen geben muss. Veränderungen, die ich mir persönlich vorstelle und auch planen werde.“
Selbst heute noch wunderte es ihn, wie schnell er sich damals Louise anvertraut hatte – ganz offen und ohne Bedenken. Ihm war sofort klar, dass sie ein gewisses Verständnis für Menschen hatte, was weit über ein altergerechtes Mitgefühl hinausging. Ihre Karriere bestätigte diesen Eindruck noch, und das Gefühl einer echten emotionalen Nähe war in ihm stärker als je zuvor.
Ich kann nur nicht schlafen, weil ich zu früh ins Bett gegangen bin, versuchte Louise sich einzureden. Sie stand draußen auf dem Balkon, vom dem aus nicht nur ihr eigenes, sondern auch Olivers Zimmer abging. Der Kleine schlief schon selig.
Unten funkelten der Hotelgarten und der dazugehörige Pool in fein abgestimmter, harmonischer Nachtbeleuchtung um die Wette. Von weit her hörte man leise Musik, und ab und zu kam ein eng umschlungenes Pärchen vorbeigeschlendert.
So eine Liebesbeziehung würde es für sie nie geben. Tief im Inneren hatte sie Angst, sich wieder in das bedürftige, selbstzerstörerische Mädchen von früher zu verwandeln, wenn sie sich auf einen Partner einließ und
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