Im sinnlichen Bann des Sizilianers
Jahrhunderten vom Vater auf den Sohn vererbt. Ein selbstherrlicher Mann wie Caesar würde mit dieser Tradition sicherlich nicht brechen.
Traurig dachte sie an den Moment, als sie Oliver vom Tennisplatz abgeholt hatte. Während des Spiels hatte er anscheinend versucht, vom gegnerischen Vater auch mit Lob und Bewunderung bedacht zu werden, doch der kümmerte sich natürlich ausschließlich um seinen eigenen Sohn. Louises Mutterherz krampfte sich zusammen, als sie die Wut und den Frust in Olivers jungem Gesicht erkannte. Sein Verhalten erinnerte sie sehr an ihre eigenen Ängste und Demütigungen. Sie verstand gut, was er gerade durchmachte.
Billy ging mit seinem stolzen Vater nach Hause, und sie selbst konnte Oliver nicht das Lob und die Aufmerksamkeit schenken, die er sich wünschte. Das könnte in dieser Situation nur ein Vater.
Morgen würde sie mit dem Kleinen ein Abenteuerschwimmbad besuchen. Bestimmt gab es im Hotel noch mehr alleinerziehende Eltern, denen man sich eventuell anschließen konnte. Bisher hatte sie allerdings niemanden kennengelernt. Überall schienen nur glückliche Paare mit fröhlichen Kindern herumzutollen.
Seufzend stellte sie Olivers Spielkonsole auf den Fernseher und schüttelte den Kopf. „Nicht beim Essen, Oliver, bitte! Du kennst die Regeln.“
„Alle anderen spielen doch auch, wann sie wollen. Billy spielt sogar zusammen mit seinem Vater!“
Louise seufzte noch einmal, und ihr Blick schweifte in die Ferne.
Das castello war einst erbaut worden, um die zugehörigen Ländereien erfolgreich gegen Feinde und Angreifer verteidigen zu können. Die Grenzen waren über die Jahre entschieden erweitert worden, und auch das Schloss wurde erst Schritt für Schritt zu dem imposanten Gebäude ausgebaut, das es heute war.
Nachdenklich betrachtete er die umfangreiche Ahnengalerie im Treppenhaus. Dort waren die Portraits eines jeden Herzogs von Falconari aufgereiht, ab dem vierzehnten Jahrhundert wurden sogar ganze Familien portraitiert. Bisher war es jedem Falconari gelungen, einen männlichen Erben zu zeugen. Auch Caesar hatte seit frühester Kindheit, seit seine Eltern bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen waren, gelernt, wie wichtig es war, zu heiraten und für die nächste Generation der Falconaris zu sorgen.
Jetzt war Caesar einunddreißig. Und innerhalb der Gemeinde wuchs die Sorge, er würde seiner Verantwortung nicht gerecht werden.
Niemand wusste, wie groß Caesars Angst war, noch einmal so die Kontrolle über sich zu verlieren, wie es ihm bei Louise passiert war. Erst viele, viele Monate nach ihrem Verschwinden hatte er sich getraut, überhaupt eine andere anzusehen.
Doch darauf folgte der nächste Schock: Es fiel ihm nämlich gar nicht schwer, sich im Griff zu haben, egal wie schön und sinnlich seine jeweilige Eroberung war. Eigentlich hätte er darüber froh sein müssen. Schließlich wollte er nie wieder mit einem anderen Menschen so verschmelzen, dass man praktisch zu einem neuen gemeinsamen Individuum wurde. Andererseits war der Sex unspektakulär und nur noch leere Lust, die keinesfalls das befriedigen konnte, was Caesar tief in seinem Inneren weggeschlossen hatte.
Diese geheime Kammer war plötzlich geöffnet worden, und zwar in genau dem Augenblick, als Louise wieder vor ihm stand. Ihretwegen hatte er sich die ganze Zeit über vor der Ehe gedrückt. Aber wieso? Weil keine andere Frau sein Herz berührte? Weil keine ihn auf diese besondere Weise erregte?
Seit sechs Jahren lebte er nun schon mit der Gewissheit, der Letzte seiner Familienlinie zu sein. Und dann kam der Brief von Louises Großvater …
Allein der Gedanke, einen Sohn zu haben, brachte sein Herz zum Rasen. Sein eigen Fleisch und Blut, auf ewig mit ihm verbunden. Die Vorstellung, das Kind nicht zu wollen oder nicht zu lieben, war völlig abstrus. Caesar konnte nicht verstehen, warum Louises Vater sich seiner Tochter gegenüber so kühl verhalten hatte. Es war das Gegenteil dessen, was Caesar sich unter väterlicher Verantwortung vorstellte.
Sollte sich herausstellen, dass Oliver sein Sohn war, würde Caesar seine Vaterrolle sehr ernst nehmen. Er wünschte sich dieses Ergebnis so sehr – es ging weit über die Erfüllung seiner traditionellen Pflicht hinaus. Der Brief von Louises Großvater hatte einen regelrechten Gefühlssturm in ihm ausgelöst und längst vergessen geglaubte Sehnsüchte wieder zum Leben erweckt. Es war die logische Folge dessen, was zwischen ihm und Louise geschehen war. Überwältigende
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