Im sinnlichen Bann des Sizilianers
Verletzlichkeit zuließ. Das würde bedeuten, alte Fehler zu wiederholen. Viel wichtiger als das war jedoch Olivers Zukunft. Sie wollte nicht riskieren, dass auch er verletzt wurde, falls ein Mann sie beide irgendwann wieder verließ.
Zwei Teenager kamen vorbei, und Louise dachte an ihren eigenen letzten Besuch auf Sizilien. Sie war selbst erst ein Teenager gewesen, als sie vor dem gesamten Dorf mit Dreck beworfen wurde. Louise spürte, wie ihre Muskeln sich automatisch anspannten. Mit aller Gewalt wollte sie diese grausamen Erinnerungen abschütteln, weil sie noch genauso wehtaten wie damals.
Es war mitten in ihren Ferien gewesen. Seit drei Tagen sprach ihr Vater kein Wort mehr mit ihr. Er schämte sich abgrundtief für seine Tochter – nicht nur wegen ihres Aussehens, sondern auch wegen ihres Benehmens. Melinda freute sich natürlich diebisch darüber und ließ keine Gelegenheit aus, auf Louises Verfehlungen hinzuweisen. Dagegen wirkten ihre eigenen wohlerzogenen Töchter wie die reinsten Engel.
Seit sie mit Louises Vater zusammen war, fachte Melinda den Konflikt zwischen ihm und seiner Tochter ununterbrochen an. Diesen Krieg konnte Louise nicht gewinnen, und leider konnte sie ihm auch nicht ausweichen.
Diese Zwickmühle beschäftigte sie, als sie in Richtung castello spazieren ging. Gleichzeitig wollte sie den unerwünschten Annäherungsversuchen von Pietro entkommen, dem Sohn von Aldo Barado. Sie hatte den Jungen gar nicht absichtlich provoziert, jedenfalls nicht für ihr eigenes Empfinden. Sicherlich unterschied sie sich von den braven Dorfmädchen, die ein eher klösterliches Leben führten, indem sie ihre Freiheiten hemmungslos auslebte. Aber Pietro tat so, als hätte sie es speziell auf ihn abgesehen, was definitiv nicht stimmte.
Es war nicht übertrieben, zu behauptet, dass dieser Tag – an dem sie Caesar begegnet und auf sein Schloss gefolgt war – ihr gesamtes Leben verändert hatte. Natürlich hatte sie vorher schon viel über ihn und seine Familie gehört, aber das waren Mythen gewesen. Als Caesar leibhaftig vor ihr stand, bot sich für Louise endlich die Gelegenheit, Melinda auszustechen … indem sie eine Affäre mit ihm begann.
Als Louise merkte, dass ihr das Zusammensein mit Caesar viel mehr bedeutete als die Anerkennung ihres Vaters, war es für einen Rückzieher schon zu spät. Sie hatte sich in Caesar verliebt. Wenn er ins Dorf kam, sorgte sie dafür, dass sie in seiner Nähe war. Auch wenn das bedeutete, in der örtlichen Gaststätte zu warten und die Annäherungsversuche von Pietro Barado abzuschmettern. Der Sohn des Gemeindevertreters wurde von seinen Kollegen ziemlich aufs Korn genommen, weil ihm der Herzog so in die Parade gefahren war.
„Du bist doch bescheuert“, warf er Louise vor. „Merkst du gar nicht, wie egal du ihm bist? Ist doch auch kein Wunder. Er ist schließlich adelig!“
Das hatte sie sich selbst schon unzählige Male vorgebetet, dennoch taten diese Worte weh. Sie wollte sich und der Welt beweisen, dass Pietro falsch lag. Allerdings behielt sie die geheimen Treffen, die sie bisher mit Caesar gehabt hatte, für sich: die Spaziergänge in den Parkanlagen des Schlosses, die langen Gespräche und all die lustigen, romantischen Momente miteinander.
Es war fast zu leicht, sich in eine märchenhafte Vorstellung hineinzusteigern, in der Caesar ihre Liebe erwiderte und sie zu seiner Herzogin machte, damit ihr Vater endlich wirklich und wahrhaftig stolz auf sie sein konnte. Zu ihrer Enttäuschung machte Caesar aber keine Anstalten, ihre Beziehung in irgendeiner Weise zu festigen. Er zog sich sogar von ihr zurück. Nur an einem einzigen Abend, als er sie zufällig mit Pietro zusammen in der Dorfgaststätte sitzen sah, wirkte er wütend und sogar eifersüchtig.
„Mit deinem Benehmen setzt du deinen Ruf aufs Spiel“, warf er ihr vor, als sie ihn später nach seiner Eifersucht fragte. „Darüber mache ich mir meine Gedanken.“
„Was ist mit Pietro?“, wollte sie wissen. „Riskiert er nicht auch seinen Ruf?“
„Für einen Mann gelten andere Regeln, zumindest in diesem Teil der Welt.“
„So sollte es aber nicht sein. Das ist unfair!“
Anstatt sich nur über soziale Ungerechtigkeit aufzuregen, hätte sie lieber auf ihn hören sollen. Aber auch dafür war es inzwischen zu spät. Viel zu spät.
Wie idiotisch von ihr, in seine Reaktion etwas hineinzuinterpretieren, was gar nicht da war. Sicher, sie hätte ihn gern eifersüchtig gesehen. Schließlich hatte sie
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