Im sinnlichen Bann des Sizilianers
an althergebrachten gesellschaftlichen Traditionen dazu, dass der Schatten deiner Verfehlungen nicht nur auf dich selbst, sondern auch auf den Rest deiner Familie fällt – also auch auf Oliver oder deine Großeltern. Indem ich die Vaterschaft anerkenne, ist zumindest er gesellschaftlich rehabilitiert. Aber man würde ihn irgendwann mit deinen Fehltritten konfrontieren, es sei denn, wir beide heiraten.“
Verschiedene Antworten gingen Louise durch den Kopf, aber sie brachte nicht eine davon über die Lippen. Am liebsten hätte sie Caesars überheblichen Vorschlag abgelehnt und ihm gehörig die Meinung gesagt. Es ärgerte sie maßlos, wie eine ganze Gemeinde sich auf Kosten eines naiven achtzehnjährigen Mädchens das Maul zerreißen konnte. Diese Leute sollten sich schämen und nicht sie! Caesar sollte sich schämen, weil er sie der Meute zum Fraß vorgeworfen hatte!
Andererseits machte es wenig Sinn, sich jetzt darüber aufzuregen. Ihre eigenen Großeltern hatten ihre soziale Demontage stillschweigend akzeptiert, da sie mit denselben Werten groß geworden waren.
„Als meine Ehefrau könntest du die Vergangenheit endgültig hinter dir lassen. Das Gleiche gilt für den Rest deiner Familie, vor allem für Oliver“, erklärte Caesar.
Er konnte sich gut vorstellen, was sie gerade dachte. Gefangen in der Zwickmühle zwischen der Liebe zu ihrem Sohn und ihrem eigenen Stolz. Was ihn selbst betraf, war er nicht ganz sicher, warum er sich so stark zu ihr hingezogen fühlte. War es die Tatsache, dass sie ihm seinen Sohn geboren hatte? Oder ging es um Louise selbst? Noch heute schämte er sich dafür, dass er sie und ihre Familie im Stich gelassen hatte.
Gegen die Hexenjagd damals hatte er nicht das Geringste unternommen. Und dafür gab es einfach keine Entschuldigung. Sein eigener Stolz hatte empfindlich darunter gelitten, dass dieses Mädel ihn mühelos um ihren schlanken Finger gewickelt hatte. Aber das rechtfertigte seine Feigheit keineswegs. Zumindest hatte er inzwischen begriffen, dass wahre Stärke bedeutete, seine Schwächen zuzulassen, und nicht, sie zu verleugnen.
Mit Louise hatte er eine Verbindung gespürt, die stärker und tiefer war als alles, was er kannte. Und weil er nicht wusste, wie er mit diesem unkontrollierbaren Gefühl umgehen sollte, strich er es aus seinem Leben – und sie gleich mit.
Er hätte im castello bleiben und seine Reise nach Rom verschieben können. Aber das tat er nicht. Stattdessen ließ er Louise zurück und zerstörte damit etwas sehr Kostbares, etwas Einzigartiges.
Sie würde nie erfahren, wie oft er in den vergangenen Jahren voller Schuldbewusstsein an sie gedacht hatte. Damit wollte er sie auch gar nicht belasten. Außerdem wusste er ja, wie sie über ihn und seinen Verrat dachte. Schließlich hatte sie auf seinen Brief nie geantwortet.
Eine Ehe würde ihre Familienehre wiederherstellen, aber seine Schuldgefühle konnte die Hochzeit nicht lindern. Trotzdem durfte er nicht zulassen, dass sie ihn abwies. Oliver war sein einziger Sohn und musste deshalb dazu erzogen werden, einmal sein Erbe anzutreten. Dafür würde Louise ein großes Opfer bringen müssen, zugegeben, andererseits war sie seines Wissens seit vielen Jahren ungebunden. Vermutlich legte sie es nicht darauf an, einen festen Partner zu finden.
„Mehr als einmal hast du betont, wie wichtig dir Oliver und deine Großeltern sind“, argumentierte er. „Jetzt hast du Gelegenheit, das zu beweisen, indem du meinen Antrag annimmst.“
Also doch eine Falle! dachte Louise. Wenn ich ablehne, wird er mir vorwerfen, ich würde meine eigenen Interessen vor die meines Kindes stellen.
Aber sie war keine hilflose Achtzehnjährige mehr. Er hielt nicht alle Karten in seiner Hand. Oliver war ihr Sohn. Sie könnte umgehend ins Hotel zurückkehren und einen Flug nach London buchen. Danach könnten sie sich über eine Regelung nach ihren Bedingungen verständigen, mit Ruhe und Abstand.
Leider schien er ihre Gedanken lesen zu können. „Solltest du etwas Unüberlegtes vorhaben, wie zum Beispiel mit Oliver das Land zu verlassen, rate ich dir dringend davon ab. Ohne meine Zustimmung wird mein Sohn diese Insel nicht mehr verlassen“, fügte er grimmig hinzu.
Ihr wurde ganz flau, da sie wusste, welchen Einfluss Caesar in diesem Teil der Erde hatte. Aber noch war nicht alles verloren.
„Ständig redest du darüber, dass ich in erster Linie an Oliver denken soll. Dabei finde ich, du solltest das selbst mal tun. Du willst ihn
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