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Im Sog der Angst

Im Sog der Angst

Titel: Im Sog der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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um es zu belegen. Sie hatte sich eindeutig nicht vorbereitet und verließ sich auf ihr Charisma.«
    »Du bist kein Fan von ihr.«
    »Ich hab mich über sie geärgert, Alex. Aber ich habe mich gefragt, ob ich nicht bloß eifersüchtig war. Weil jeder wusste, wie gut es ihr in geschäftlicher Hinsicht ging. Es hieß, dass sie fünfzig Prozent mehr als der Rest von uns liquidierte und dass sie Patienten wegschickte. Das mit dem Mord ist über ein Jahr her. Ich war bei dem Kongress der Western Psychological Association in Vegas, und Mary Lou sollte einen Vortrag über Psychologie und die Medien halten, der in letzter Minute abgesagt wurde. Ich hatte nicht vorgehabt, ihn mir anzuhören, aber einer meiner Freunde hatte sich für den Vortrag angemeldet - Hal Gottlieb. An dem Abend hab ich mit Hal und ein paar anderen Leuten zusammen gegessen, und er brachte uns mit der Geschichte zum Lachen, dass er Geld beim Blackjack verloren hätte und Mary Lou Koppel deswegen verklagen wolle. Weil er dank ihrer Absage Zeit zur Verfügung gehabt hätte und deshalb hinüber zum Casino geschlendert wäre. Dann erzählte er uns, dass sie abgesagt hätte, weil eine ihrer Patientinnen ermordet worden war. Ein langes Schweigen entstand, und schließlich machte jemand einen Scherz über schlechte Publicity, bevor jemand anderer sagte, für Mary Lou gäbe es keine schlechte Publicity, sie würde ihren Nutzen daraus ziehen.«
    »Sie scheint ja sehr beliebt zu sein«, sagte ich.
    »Wir Seelenheiler können ganz schön gehässig sein. Wenn das unsere Patienten wüssten.«
    »Erinnerst du dich an irgendwelche Einzelheiten, was den Mord angeht?«
    »Aus irgendeinem Grund meine ich mich zu erinnern, dass das Opfer eine Frau war. Aber vielleicht irre ich mich auch; ich kann es wirklich nicht mit Sicherheit sagen, Alex.«
    »Vor mehr als einem Jahr.«
    »Im April letzten Jahres - nach Ostern. Damit wäre es vierzehn Monate her.«
    »Als ich Mary Lou durch die Suchmaschinen laufen ließ, bin ich auf nichts mit einem Mord gestoßen«, sagte ich. »Aber in dieser Zeit hat sie damit begonnen, Interviews zur Gefängnisreform zu geben, also hat das Verbrechen vielleicht ihr Interesse angefacht.«
    »Könnte sein.«
    »Bei manchen der Interviews war einer ihrer Partner dabei, ein Typ namens Albin Larsen. Kennst du ihn?«
    Sie schüttelte den Kopf, bohrte mit einem Essstäbchen in ihrem Salat herum. »Zwei Morde in einer Praxis. Ich nehme an, wenn die Praxis groß genug ist, ist das nicht so absonderlich.«
    »Und die von Mary Lou ist groß.«
    »Das hab ich gehört.«
    »Nun ja«, sagte ich, »zumindest ist es merkwürdig. Ich gebe die Information an Milo weiter. Vielen Dank.«
    »Ich bin froh, wenn ich dir helfen kann.« Sie schob ihre schwarzen Haare aus der Stirn und knabberte an ihrer Unterlippe.
    Ich lehnte mich über den Tisch und küsste sie. Sie nahm mein Gesicht in die Hände, presste meinen Mund auf ihren und ließ mich wieder los.
    Ich goss uns Sake nach.
    »Wunderbar«, sagte sie.
    »Eine Spitzenmarke«, sagte ich.
    »Ich meinte den Abend mit dir.«
    »Oh.« Ich schlug mir die Hand gegen die Stirn.
    Sie lachte und fasste an einen ihrer Diamantohrringe. »Trotz meiner Vorliebe für Glitzerkram brauche ich wirklich nicht viel. Wir sind am Leben, und unsere Köpfe arbeiten ganz prima - das ist ein guter Anfang, findest du nicht auch?«
    Am nächsten Morgen beendete ich einen Sorgerechtsbericht und fuhr - weil ich nicht mehr im Haus bleiben wollte - zum Gericht in West L.A. und lieferte ihn persönlich im Büro des Richters ab. Das Polizeirevier liegt praktisch nebenan, und ich ging zu Fuß hinüber. Der Zivilangestellte am Eingang kannte mich und winkte mich durch, ohne sich einen Ausweis zeigen zu lassen.
    Ich stieg die Treppe hoch und ging im Korridor am Großraumbüro des Raub- und Morddezernats vorbei, wo Milo früher mit allen anderen Detectives gearbeitet hatte.
    Er hatte anderthalb Jahrzehnte in diesem Raum verbracht, war aber wegen seiner Homosexualität und seines Hangs zum Einzelgängertum nie ein Insider gewesen. Zu Beginn hatten sich viele ihm gegenüber feindselig verhalten, in den meisten Fällen Cops in Uniform und Vorgesetzte, aber nicht in jüngerer Zeit und nie von Seiten der Detectives.
    Detectives sind zu intelligent und haben zu viel zu tun für diese Art von Unsinn. In den letzten Jahren hatte Milos hohe Aufklärungsquote ihm stillen Respekt eingebracht.
    Wenig mehr als ein Jahr zuvor hatte sich sein Leben verändert. Bei der

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