Im Sog der Angst
gesehen wurde. Aber der Zeuge sagte, der Minivan sei von seiner Straße weggefahren. Der Fahrer schien nach etwas gesucht zu haben.«
»Um zwei Uhr morgens hin und her zu fahren ist nicht gerade gut nachbarschaftlich«, sagte ich. »Das ist etwas, was Männer tun, die Frauen nachstellen.«
»Ein Seelenklempner mit Problemen auf dem Gebiet. Wäre das nicht interessant?«
»Ein Seelenklempner, dem das Gericht Männer überweist, die Frauen nachstellen. Vielleicht hat Gavin es irgendwie rausgefunden und ist deshalb von Gull zu Koppel übergewechselt.«
»Gull fährt an Koppels Haus vorbei«, sagte er. »Das hätte sie sich nicht gefallen lassen. Wenn Gavin ihr davon erzählt, legt er die Lunte an ein Pulverfass.«
»Auf der anderen Seite …«, sagte ich.
»Was?«
»Drei Fahrzeuge in der Familie Gull. Der Mercedes ist für ihn, und der Corvette-Oldtimer für Wochenendausflüge. Dann bleibt der Aerostar für die Frau des Hauses.«
»Für die misstrauische Frau des Hauses«, sagte er. »Ja, genau. Gull und Koppel hatten eine Affäre.«
»Als du über Indizien sprachst, fragte Gull nach Fingerabdrücken. Das kam mir in dem Zusammenhang abwegig vor. Grund für die Frage könnte sein, dass er annehmen muss, seine Fingerabdrücke gehören zu denen, die in Koppels Haus eingestaubt worden sind.«
»Sie waren mehr als Partner. Mehr als Nachbarn. Sie findet ein Haus für ihn in der Nähe, damit er leichter mal für heiße Spiele reinschneien konnte. Mrs. G. schöpft Verdacht und fährt um zwei Uhr früh vorbei. Zur Überprüfung. Kein Wunder, dass der Typ transpiriert wie ein Marathonläufer.«
»Das wirst du früh genug rausfinden«, sagte ich. »Er hat eine staatliche Zulassung, also sind seine Fingerabdrücke im System.«
Er klappte das kleine blaue Handy auf. »Ich rufe die Leute von der Spurensicherung sofort an. In der Zwischenzeit statten wir der Frau einen Besuch ab.«
»Was ist mit Gavins Zimmer?«
»Das kommt auch noch dran«, antwortete er, »aber später.« Breites Grinsen. »Ganz plötzlich habe ich viel zu tun.«
Das Haus der Gulls war ebenfalls im Tudor-Stil gebaut, dem von Mary Lou Koppel nicht unähnlich, ein bisschen weniger imposant und auf einem flachen Grundstück ohne Aussicht. Rasen wie auf einem Baseballfeld, die üblichen üppigen Beete mit gelbem Springkraut, ein kleiner Essigbaum, der sich gerade zu verfärben begann, angepflockt in einem Krater, den ein größerer Baum hatte räumen müssen.
Der Aerostar war in der Zufahrt geparkt. Dunkelblau. Zwei Aufkleber an der Stoßstange: MEIN KIND IST SPIT-ZENSCHÜLER AN DER WILD ROSE SCHOOL. Und GO LAKERS!
Ein hispanisches Hausmädchen kam auf Milos Klopfen an die Tür. Er fragte nach »La señora, por favor« , und sie sagte » Un momento« , und schloss die Tür. Als sie wieder aufging, stand eine zierliche, sehr schlanke Frau von Mitte dreißig mit einem blonden Pferdeschwanz da, die einen geistesabwesenden Eindruck machte. Daran änderte auch Milos Abzeichen nichts. Sie sah weiterhin durch uns hindurch.
Weißblond, eisblaue Augen, kleine Knochen, schönes Gesicht. Selbst ohne sich zu bewegen, sah sie anmutig aus. Aber gefährlich schlank; ihre Haut war fast durchsichtig, und ihr Trainingsanzug aus schwarzem Samt hing an ihr herunter. Ihr Make-up war ausgezeichnet, aber die roten Ränder um ihre Augen waren unmöglich abzudecken.
»Mrs. Gull«, sagte Milo.
»Ich bin Patty.«
»Dürfen wir hereinkommen?«
»Warum?«
»Es geht um ein Verbrechen, das kürzlich in Ihrer Nachbarschaft stattgefunden hat.«
Eine schmale Hand trommelte auf der anderen. »Noch ein Raubüberfall im Rancho Park?«, fragte sie.
»Etwas Ernsteres, Ma’am. Und ich fürchte, das Opfer ist jemand, den Sie kennen.«
»Sie«, sagte Patty Gull. Ihre Stimme klang tiefer, und jede Spur von Unaufmerksamkeit war verschwunden. Ihre Hände trennten sich, fielen herab und krallten sich in ihre Hüften. Ihr Unterkiefer schob sich nach vorn. So feingeschnitten ihr Gesicht mit der Adlernase auch war, es nahm den Ausdruck einer missmutigen Dogge an.
»Klar, kommen Sie rein«, sagte sie.
Das Wohnzimmer war mit Fensterläden und Paneelen aus derart dunkel gebeiztem Eichenholz versehen, dass es fast schwarz wirkte. Die Einrichtung hatte den Anschein, als wäre sie an einem Tag von jemandem zusammengestellt worden, der Respekt vor Konventionen und ein knappes Budget hatte: mittelmäßige antike Kopien, Drucke von Pferden unter Glas, die Art von Stillleben, die man auf
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