Im Sog der Gefahr
Grant Tobens Schnurrbart zog sich über seinem Mund in die Breite, als der Mann das Gesicht verzog. »Hast du ein Alibi, Sohn?«
Bevor oder nachdem er das Feuer gelegt und Brents Haus durchsucht hatte? Er schüttelte den Kopf. »Ich konnte nicht schlafen und bin durch die Gegend gefahren.« Er fühlte sich leer. Wie betäubt. Gina durfte nicht tot sein. Nie zuvor hatte er jemanden verloren, der ihm nahestand, und jetzt durfte er noch nicht einmal öffentlich um sie trauern oder ihr den Respekt erweisen, den sie verdiente.
Er sah zu seinem Vater auf. »Warum sollte ich ein Alibi brauchen? Du hast doch gesagt, Brent ist der Mörder.« Sein Herz machte einen Satz. »Hat das Schwein sie umgebracht, weil er eifersüchtig war?« Die Trauer drohte ihn zu zerreißen, grub sich so tief in seine Eingeweide, dass er glaubte, sich übergeben zu müssen.
»Es wurde noch keine Anklage erhoben. Diese Carvers taugen nichts. Irgendwie werden sie einen Weg finden, sich aus dieser Sache herauszuwinden und einem anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Hat dich letzte Nacht jemand gesehen?«, fragte sein Vater mit einem Seitenblick auf seine Mutter.
Er schüttelte den Kopf. Wie Klauen gruben sich die Fingernägel seiner Mutter in seinen Hals und rissen ihn zurück in die Realität. »Du warst mit uns zu Hause. Verstanden?« Ihr Griff lockerte sich, wurde zu einem Streicheln. Sie fiel neben ihm auf die Knie und schloss ihn in die Arme. »Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas zustößt, das weißt du, nicht wahr?« Sie hielt ihn fest im Arm, wie sie es getan hatte, als er noch ein kleiner Junge gewesen war.
Mike schniefte und wischte sich die Augen. Ab jetzt musste er sich darauf besinnen, was ihm wichtig war. »Ich war die ganze Nacht zu Hause. Ich bin nicht rausgegangen.« Langsam stand er auf und erwiderte die Umarmung seiner Mutter, versuchte sie zu trösten. Er würde nicht ins Gefängnis gehen und sie allein und angreifbar zurücklassen.
Jetzt hatte er keine Gelegenheit mehr, in die Nähe von Carvers Haus zu kommen, und Dryzek würde ihn sich ohnehin vorknöpfen. Dann kam ihm ein weiterer Gedanke.
Dryzek.
Hatte er Gina getötet? Lachte er sich hinter Mikes Rücken ins Fäustchen, während er unbemerkt ihm oder Brent die Schuld in die Schuhe schob? Gerissen genug war der Kerl.
Keine Gefälligkeiten mehr für Remy Dryzek – nicht einmal, um seine eigene Haut zu retten. Sein Vater hatte recht gehabt, was den Mann anging. Sein Vater hatte immer recht. Er dachte an die Pistole, die er im Handschuhfach versteckt hatte. Wenn Remy oder Ferdinand ihm oder seiner Familie zu nahe kamen, würde er diesen Dreckschweinen ein paar hübsche Löcher verpassen.
15
Thom lief im Warteraum des Polizeireviers von Port Alberni auf und ab. Als eine Tür geöffnet wurde, wirbelte er herum und erblickte Laura, die müde und abgespannt aussah. Ohne ein Wort zu sagen, ging sie hinaus, wo sie stehen blieb und in tiefen Zügen die frische Luft einatmete. Der Himmel war bedeckt, und auf den Wolken lag die schwere Last drohenden Regens.
»Alles okay mit Ihnen?«, fragte er leise.
Sie sah ihn über die Schulter an, den Mund zusammengekniffen, ihr Blick von den entsetzlichen Einzelheiten geprägt. »Es hat seinen Grund, dass ich das hier aufgegeben habe.«
Ihre Worte trafen ihn tief. Sie hatte dem Tod und der Gewalt den Rücken gekehrt, und er hatte sie gezwungen, in diese Welt zurückzukehren. Vorsichtig kam er näher. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten wollte er eine Frau in den Arm nehmen, um sie zu trösten, und sein Körper wusste nicht, wie er das anstellen sollte.
»Aber Brent Carver wäre niemals so dumm gewesen, das Messer derart herausfordernd auf dem Bett liegenzulassen.« Ihre Augen wurden hart, und sie schüttelte den Kopf. »Er hat nicht mal gezuckt, als sie ihm das mit dem Messer gesagt haben.« Falten sammelten sich zwischen ihren Brauen. »Ich bin mir nicht sicher, ob er es überhaupt gehört hat.« Mit forschen, kraftvollen Schritten ging sie auf seinen SUV zu.
Thom folgte ihr, fasziniert vom widersprüchlichen Wesen dieser Frau. Sanftheit und Stahl.
»Was ich nicht verstehe, ist, warum er eine Frau verlässt, die er offensichtlich liebt.« Sie blinzelte schnell. »Warum stößt er die Frau von sich, die ihm so wichtig ist?«
»Um sie zu schützen«, sagte Thom voller Überzeugung.
»Frauen brauchen keinen Schutz, wenn dafür ihr Herz geopfert wird!« Ihre Worte klangen scharf und bitter.
»Jemand hat Sie verletzt.« Zorn
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