Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Sog der Gefahr

Im Sog der Gefahr

Titel: Im Sog der Gefahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Toni Anderson
Vom Netzwerk:
Ihnen, oder?«, fragte sie.
    »Was?« Finn blinzelte.
    Laura packte ihn am Arm. »Wenn wir Ihren Bruder retten sollen, müssen Sie schon ein bisschen mitdenken.«
    Er unterdrückte ein Zucken, als ihre Fingerspitzen sich tiefer in sein Fleisch bohrten. »Äh ja, auf dem Papier gehört die Immobilie Brent und mir zusammen, aber …«
    Laura hob die Hand. »Das ›Aber‹ spielt keine Rolle.« Sie drängte sich an ihm vorbei und wandte sich direkt an Chastain. »Mein Mandant erteilt Ihnen die Erlaubnis, sich hier auch ohne Beschluss umzusehen.« Als Finn sie unterbrechen wollte, warf sie ihm einen eisigen Blick zu. »Mein Mandant hat nichts vor den Behörden zu verbergen, aber ich möchte sichergehen, dass Sie nur mit bloßem Auge suchen. Keine Sicherstellung von Beweismitteln zum jetzigen Zeitpunkt. Finn ist der Miteigentümer dieser Immobilie, und er gewährt uns Zutritt. Richtig?« Ihr Blick sagte ihm, dass es genau so abzulaufen hatte, wenn er sie für diesen Fall haben wollte.
    Er nickte steif, dann fügte er sich, nahm die Latexhandschuhe von den Polizisten entgegen und zog sie über, ehe er den Türknauf drehte. Nicht abgeschlossen. Er blinzelte in das blendend weiße Licht, das einen scharfen Kontrast zu den düsteren, schmutzigen Schatten seiner Kindheit bildete. Das ganze Haus war blitzsauber. Nirgendwo ein Stäubchen.
    »Wow, das hatte ich nicht erwartet.« Bewundernd sah Laura sich um. Kein schmutziger Teller in der Spüle. Keine einzige Tasse auf der Abtropffläche. Sie trat vor ein riesiges Ölgemälde, das einen Großteil der Wand über dem Kamin einnahm. Finn konnte den Blick nicht von dem Werk abwenden. Langsam ging er darauf zu.
    »B . C. Wilkinson.« Laura stieß einen Pfiff aus. »Weit jenseits meiner Preisklasse. Bist du sicher, dass dein Bruder kein Gauner ist?«
    Finn konnte nicht aufhören, das Bild anzustarren. Mit Bildern wie diesem war er groß geworden, sie hatten an den Wänden ihres verfallenen Schuppens gehangen. Buchstaben waren weder Brents noch sein Fall gewesen, aber sie hatten beide viel Zeit mit Zeichnen und Malen verbracht. »Das ist nicht B . C. Wilkinson.« Wer auch immer das sein mochte. »Das ist von Brent.«
    Laura machte große, runde Augen. »Du willst mir erzählen, dass dein Bruder B . C. Wilkinson ist?« Sie schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. »B . C. – Brent Carver.«
    »Und Wilkinson ist das Gefängnis, in dem er seine Strafe abgesessen hat.«
    »Kein Wunder, dass der Künstler ein solches Mysterium ist.«
    Chastain trat zu ihnen und sah ihnen über die Schulter. »Wir wollen jetzt nach oben gehen.«
    Finn und Laura wechselten einen Blick. Er nickte und führte die Polizisten die Treppe hinauf. Das erste Zimmer, das sie betraten, war eindeutig ein Atelier. Finn starrte die Leinwände an. Riesige Landschaftsbilder, die Emotionen verströmten. »Ich hatte ganz vergessen, dass er gern gemalt hat.« In seinem Hals bildete sich ein harter Kloß. Er hatte es vergessen. Vielleicht war das Leben im Gefängnis nicht ganz so unerträglich gewesen, wie er befürchtet hatte. Brent hatte in seiner Kunst Trost gefunden, einen Beruf und eine Berufung. »Die sind also Geld wert?«
    Laura lächelte ihn traurig an. »Im letzten Jahr habe ich bei einer Auktion auf eines geboten. Musste aber aussteigen, als sie bei achtzigtausend waren.«
    Staunen und Trauer wallten in ihm auf, gleichermaßen heftig und scharf. »Bianca Edgefield hat ihm seinen ersten Malkasten geschenkt, als wir klein waren.« Seine Stimme stockte. »Brent hat ein Bild von einem Hasen für ihre kleine Tochter gemalt, damals muss sie sein Talent erkannt haben.« Ein Junge, der für kleine Mädchen Hasen malte, würde bestimmt niemals kaltblütig seine Exfreundin abschlachten. Alle Muskeln in seiner Brust waren steinhart gespannt, nur mühsam bekam er Luft.
    Sacht strich Laura ihm über den Arm.
    Diese Bilder gingen weit über das hinaus, was sie als Kinder gemalt hatten. Sie hatten Tiefe, waren unergründlich und von einer dunklen, morbiden Schönheit. Stolz erfüllte ihn. Stolz, aber auch Scham, weil er auch nur eine Sekunde an seinem Bruder gezweifelt hatte.
    Nie wieder würde er an ihm zweifeln.
    Vom Ende des Flurs erklang ein Schrei. Laura und er rannten über den Hartholzboden im Flur und kamen schlitternd in einem Zimmer zum Stehen, das offenbar das Hauptschlafzimmer war. Der Raum war klösterlich schlicht eingerichtet. Über dem Bett hing ein riesiges Meerespanorama in Weiß, Schwarz und Purpur.

Weitere Kostenlose Bücher