Im Sog der Gefahr
Treppen zu seinem Blockhaus hinaufschlich. Sie bewegte sich lautlos, vielleicht wollte sie ihn überraschen.
Viel Glück dabei.
Sie bog um die Ecke und atmete hörbar aus, als sie ihn in einem Segeltuchstuhl vor seiner Tür sitzen sah.
»Wollen Sie ’n Bier?« Er griff nach einer ungeöffneten Flasche, die neben ihm auf dem Boden stand.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin im Dienst.«
Er stellte die Flasche wieder ab. »Und was tun Sie, wenn Sie nicht im Dienst sind, Sergeant Rudd?«
Sie musterte ihn, als wäre sie unschlüssig, welchen Kurs sie fahren sollte – knallhart oder freundlich. »Letzte Woche habe ich Tauchen gelernt.«
»Warum?«
Der Klang ihres Lachens knisterte wie elektrischer Strom auf seiner Haut. Er wünschte, sie hätte sich für die knallharte Tour entschieden.
»Warum lernt man schon Tauchen?«
Um sich unbemerkt in feindliche Stellungen einzuschleusen. Um Sprengladungen anzubringen und Schiffe zu versenken, die man nicht an der Oberfläche haben wollte. Um Abhörgeräte oder Peilsender zu verstecken. Um feindliche Kommunikationssysteme auszuschalten. Um sich unter Wasser hübsche Tiere anzusehen. Die Liste war endlos.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und beobachtete sie so aufmerksam, wie er einen Hammerhai beobachten würde. »Sie haben sich heute gut gemacht.« Sein Lob entlockte ihr ein Lächeln. »Nur am Schluss waren Sie ziemlich dumm.«
Die Lider senkten sich über ihre Augen und verbargen ihre Reaktion. »Sie haben recht, ich war neben der Spur. Tut mir leid.«
Die Zerknirschung auf ihren Zügen wirkte nicht natürlich und währte auch nicht lange.
Ihr Grinsen war ansteckend. Das war beabsichtigt und bereitete ihm Sorgen. Sie benutzte ihr Lächeln, um sich an der Abwehr von Leuten vorbeizumogeln, und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass es bei ihm genauso gut funktionierte wie bei allen anderen.
»Sie sind mir ein Spaßvogel, Mr Carver. Ich sage Ihnen, dass ich vorbeikomme, um Sie zu dem Fund der Leiche zu befragen, und Sie versuchen, vom Thema abzulenken, indem Sie mein Verhalten bei unserem Tauchgang kritisieren.«
»Tauchgänge sind nun mal meine Spezialität.« Ohne die Spur eines Lächelns hielt er ihrem Blick stand. Seine Worte troffen vor sexuellen Andeutungen, und er ließ die Bilder auf sie wirken. Er wollte sie nervös machen, aus dem Konzept bringen. Er würde alles einsetzen, was nötig war, um sie von ihrer Fährte abzubringen. So wie sie ihr Lächeln einsetzte, um zu bekommen, was sie wollte.
Ihr Lächeln wurde breiter. »Hat man Ihnen das bei den Special Forces beigebracht?«
Endlich erwiderte er ihr Lächeln.
Treffer.
»Wollen Sie mich aushorchen, Schätzchen?«
»In Ihrer Militärakte steht Special Forces.«
Ohne auch nur für einen Moment den Blick zu senken, sagte er: »Darüber darf ich nicht sprechen. Das verstößt gegen die Regeln.« Er trank noch einen Schluck Bier, der einen bitteren, dunklen Geschmack auf seiner Zunge hinterließ.
»Halten Sie sich immer an die Regeln, Finn?«
»Aber ja,
Holly
, immer.« Er sagte nicht, an wessen Regeln.
»Und warum haben Sie dann nicht gemeldet, dass Sie ein gesunkenes Schiff gefunden haben?«
Er zuckte kurz mit den Schultern. »Thom wollte einige Proben nehmen, bevor wir die Küstenwache verständigten. Sobald die Tauchwelt von einem neuen Wrack erfahren hätte, wären die Leute in Strömen darüber hergefallen. Ich nehme an, er hat Ihnen seinen Schatz gezeigt?«
Sie nickte.
»Kaum einen Mord wert, oder?« Wieder zuckte er die Achseln, wobei schwere Schuldgefühle auf seinen Schultern lasteten. »Ich dachte, es würde keine Rolle spielen, wenn wir noch ein paar Wochen damit warten.«
Ihr Haar sah hier im Schatten pechschwarz aus und war im Nacken zu einem strengen Zopf geflochten. Unkompliziert. Professionell. Trotzdem sah sie scharf aus in dieser Uniform mit den Polizeiabzeichen und dem goldenen Streifen an den Außenseiten ihrer Hose. Und sie sah aus, als könne sie durchaus mit den Waffen umgehen, die sie an der Hüfte trug. Er mochte Menschen, die für sich selbst einstehen konnten und sich für andere starkmachten. Sie war ungeschminkt, aber ein solches Gesicht brauchte kein Make-up und keinen Schnickschnack. Ihm war der natürliche Look schon immer lieber gewesen. Auch ihre Selbstsicherheit und der Hauch von Autorität machten ihn an, wie er sich eingestehen musste. Und trotz seiner Worte von vorhin hätte er darauf gewettet, dass sie eine gute Polizistin war.
Nichts davon war
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