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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Einwand war.
    „Verglichen mit mir bist du ein Unschuldslamm. Und dafür solltest du dankbar sein, meine Liebe.“
    „Aber du sagst doch, das Bett hat erstaunliche Freuden zu bieten.“
    „Und die wirst du kennenlernen. Mit dem richtigen Mann.“
    Melisande schüttelte den Kopf. „Das halte ich für ausgeschlossen. Du meidest doch auch die Gesellschaft von Männern, um in diesem Haus zu leben. Vermisst du etwa diese sogenannten Freuden?“
    „Wieso kommst du darauf zu sprechen?“
    „Ohne besonderen Grund. Lediglich eine Bemerkung von Violet, als ich sie bei diesem Rohan antraf, geht mir durch den Kopf.“
    „Und welche Bemerkung?“
    Melisande zögerte, ehe sie antwortete. „Sie sagte, sie tue es gern. Ich könnte vielleicht sogar nachvollziehen, dass dieses … Treiben Spaß macht … aber doch nicht mit einem Mann wie Rohan …“ Noch ehe ihr diese Worte entschlüpft waren, wusste sie, wie unaufrichtig sie klangen.
    „Er ist ein gut aussehender Mann“, erklärte Emma ernsthaft, lediglich in ihren Augen blitzte ein belustigter Funke. „Alle Rohans sind schön, verdorben und unwiderstehlich. Es wäre nur natürlich, wenn du eine Schwäche für ihn hättest.“
    „Nie im Leben!“, widersprach Melisande entrüstet und nahm sich noch einen Keks. „Zugegeben, er sieht blendend aus. Ich müsste blind sein, um das nicht bemerkt zu haben. Aber das heißt noch lange nicht, dass ich irgendetwas mit ihm zu tun haben möchte.“
    „Mal ehrlich, würde dich der Gedanke nicht reizen?“
    Melisande verheimlichte ihre spontane Reaktion. „Natürlich nicht! Im Übrigen zähle ich nicht zu den Frauen, für die Viscount Rohan sich interessieren könnte. Gottlob!“
    „Wieso gottlob?“, hakte Emma nach. „Wenn du noch nie daran gedacht hast, warum spielt es dann eine Rolle, ob er Interesse an dir haben könnte?“
    Der Gedanke an Benedick Rohans dunkle Augen, die sie mit teilnahmsloser Geringschätzung gemustert hatten, machte sie frösteln. Und erhitzte zugleich ihr Blut. „Seit wann spielst du dich als Kupplerin auf?“, fragte sie frostig.
    Emma lächelte. „In den zehn Jahren als Betreiberin eines Freudenhauses habe ich eine Menge Erfahrung gesammelt. Ich weiß, ob jemand Interesse hat, und ich weiß auch, ob zwei zueinander passen würden.“
    „Ich jedenfalls habe kein Interesse.“
    „Natürlich nicht!“ Emmas Augen funkelten wieder belustigt.
    „Ich fürchte, früher oder später wird sich eine Begegnung mit ihm nicht vermeiden lassen, und ich beweise dir, dass er mir völlig gleichgültig ist. Allerdings laufe ich Violet kein zweites Mal hinterher. Dies war ihre letzte Chance.“
    Emma wiegte bedächtig den Kopf. „Sie wird nicht bleiben.“
    „Nein. Soll sie getrost diesem Viscount Rohan nachlaufen.“ Melisande erhob sich und verbarg ein Gähnen hinter der Hand. „Ich weiß nicht, ob ich mich noch einmal hinlegen oder mich anziehen und den Tag beginnen soll.“
    „Du wirst dich anziehen und an die Arbeit machen“, erklärte Emma. „Du bist an Energie nicht zu überbieten und hast mit Sicherheit hundert Dinge zu erledigen.“
    „Bin ich so vorhersehbar?“
    „Ja.“
    Nachdem Melisande sich zurückgezogen hatte, blieb Emma noch lange am Küchentisch sitzen, blickte nachdenklich in ihre Teetasse und wünschte, die Zukunft aus den Teeblättern lesen zu können. Es wäre tröstlich zu wissen, ob ihr Leben nun in ruhigeren Bahnen verlaufen würde.
    Es gab tausend Erklärungen dafür, was aus ihr geworden war. Eine hysterische Mutter, die sich vom Dach ihres baufälligen Elternhauses in Plymouth in den Tod gestürzt hatte. Einen strengen abweisenden Vater, dessen religiöser Wahn ihn dazu getrieben hatte, seine kleine Tochter zu verprügeln und mit eiskalten Waschungen zu traktieren. Einen Großvater, der sie begrapscht und gezwungen hatte, ihn zu berühren, der ihr ins Ohr flüsterte, das alles sei ihre Schuld, weil sie schlecht und verdorben sei und ihn dazu verleite, diese Dinge mit ihr zu tun, dass sie dazu verdammt sei, in der Hölle zu schmoren. Und im Alter von zwölf hatte sie ihm geglaubt.
    Er war bald danach gestorben, und auch sein Tod war ihre Schuld. Sie hatte gebetet, er möge sterben, damit sie seine widerlichen schwieligen Hände nicht mehr ertragen musste. Und er war gestorben, weil sie es sich so sehnlich gewünscht hatte, und damit hatte sie sich noch mehr versündigt.
    Mit fünfzehn war sie fortgelaufen, nachdem ihr Vater sie an den Haaren in ihre spartanische Kammer gezerrt

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