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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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und ihr die Kleider vom Leib gerissen hatte, um ihre sündige Nacktheit von allem Schlechten reinzuwaschen. Er hatte jede Stelle ihres Körpers mit kaltem Wasser gewaschen, anfangs grob und wütend und dann immer langsamer, und die Scham hatte sie überwältigt und gelähmt. Scham und Angst und das Wissen, dass sie sogar ihren frommen Vater mit ihrem lüsternen Körper zur Sünde verführt hatte. Und dann war sie fortgelaufen, ehe sie ihn zu noch schändlicheren Todsünden verführen konnte.
    Ihr Geld hatte für die Postkutsche nach London gereicht. Und an der Poststation hatte Mutter Howard sie angesprochen. Die alte Frau hatte ihr mit einem warmen Lächeln und tröstlichen Worten angeboten, in ihrem Haus wohnen zu können, bis sie Arbeit in der großen Stadt gefunden hatte. Und Emma, die noch nie einer gütigen Menschenseele begegnet war, meinte zu wissen, dass sie nicht befürchten musste, in ihrer Retterin den Dämon der Lust zu wecken, und war dankbar und froh mit ihr gegangen.
    Sie hatte nie erfahren, zu welchem Preis die Hexe ihre Jungfräulichkeit verkauft hatte. Sie erinnerte sich nur an das hämische Lachen der alten Vettel, als sie von kräftigen Armen festgehalten und ihr ein Trank eingeflößt wurde, der sie benommen machte, aber nicht völlig betäubte, und die Alte eine Handvoll Goldmünzen einschob.
    Nach dieser grauenvollen Nacht war sie in einen kahlen Raum gebracht worden, in dem noch andere verängstigte Mädchen hausten. Sie hatte sich auf einer harten Pritsche zusammengekrümmt und haltlos geweint und gewünscht, sie wäre tot. Bis sich jemand zu ihr gesetzt und mit sachlicher Stimme auf sie eingeredet hatte.
    „Deine Tränen helfen dir nicht weiter, Mädchen“, hatte Mollie Biscuits erklärt. „Ich könnte sagen, das Schlimmste hast du überstanden, aber das wäre gelogen. Die alte Mutter Howard hat Kunden, die einem Mädchen gern wehtun, um einen hochzukriegen. Aber die meisten Freier ertragen gern selbst Schmerzen. Möglicherweise erhältst du Gelegenheit, Männer auszupeitschen, die dir wehtun wollen, und das wird dir Genugtuung verschaffen.“
    Emma hob den Kopf nicht, aber ihre Tränen versiegten, und sie hörte zu.
    „Viele Männer wollen nur, dass du sie mit dem Mund befriedigst, und das dauert nicht lang. Manche wollen dich für eine ganze Nacht haben, aber sobald du ein paar Tricks kennst, erschlaffen sie in weniger als einer Stunde, und danach schläfst du den Rest der Nacht in einem weichen Bett und nicht auf einem Strohsack. Manche verlangen abartige Dinge von dir, und die tust du mit ihnen, weil dir nichts anderes übrig bleibt.
    Aber Mädchen, Mutter Howard ist alt und krank. Ich höre sie nachts husten, und ich schätze, dass sie Pfingsten nicht erleben wird. Ich kann dir nicht versprechen, dass du dann frei bist, denn ihre Zuhälter werden versuchen, dich zu behalten. Und die meisten von uns wissen ohnehin nicht, wohin sie gehen sollen. Wir bleiben hier und tun das, was wir können, weil wir sonst auf der Straße enden, und von dort ist es ist nicht weit bis zu einem erbärmlichen Tod.
    Du kannst auch zurück zu deinen Eltern gehen. Mutter Howard sorgt dafür, dass du kein Kind bekommst. Du kannst also in deinen Heimatort zurückkehren und vergessen, was du durchgemacht hast.“
    Emma hatte aufgeblickt. Die Frau an ihrem Bettrand war vollbusig und pausbäckig und älter als die anderen Mädchen, die sie mitleidig beobachteten. „Ich kann nicht heim … Das wäre noch schlimmer.“
    Mollie Biscuits hatte genickt. „Dann bleibst du hier und machst das Beste daraus. Wir helfen dir, nicht wahr, Mädchen? In unserem Gewerbe gibt es ein paar Tricks. Und die Schwester von Mutter Howard ist nicht so hartherzig wie die alte Hexe. Wenn sie übernimmt, haben wir eine kleine Chance auf ein besseres Leben in diesem Haus.“
    Emma hatte sich aufgesetzt und sich umgeschaut. Der Schlafsaal im Speicher war kalt und schmutzig, die schmalen Betten standen an zwei Wänden. Das Essen, das sie bekommen hatte, hatte widerlich gerochen und geschmeckt. Es gab keine Waschgelegenheit, und das Klosett auf dem Flur war völlig verdreckt und stank fürchterlich. Schlimmer noch, sie hatte das Gefühl, überall auf der Haut krabbele Ungeziefer.
    „Nimm’s, wie es ist, Kleine“, hatte eine junge Rothaarige mit irischem Akzent gesagt. „Und mach das Beste draus.“
    Und in diesem Moment hatte sich etwas in Emma verhärtet, eine eiserne Entschlossenheit, die sie bislang nicht gekannt hatte, ergriff sie.

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