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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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Die Frauen hatten recht – ihr blieb keine andere Wahl. Ihr Vater hatte immer behauptet, sie sei dafür geboren, Männer zu verführen; ihr Großvater hatte ihr vorausgesagt, sie würde als Hure enden. Es war allein ihre Schuld, sie war so geboren, und dem Schicksal konnte sie nicht entfliehen.
    Aber sie konnte das Beste daraus machen. Sie musste nicht ihr Leben in Hunger, Elend und Dreck verbringen. „Ja. Wir können das Beste daraus machen“, hatte sie mit Bestimmtheit gesagt.
    Mollie Biscuits hatte erleichtert geschmunzelt. „Sieh da, Mylady kann sprechen! Du bist wohl eine feine Dame, wie? Offenbar das ledige Balg eines feinen Pinkels? Aber mach dir nichts draus, wir kümmern uns nicht darum, woher eine kommt. Jetzt sind wir deine Familie. Ich bin Mollie Biscuits, das hier sind Agnes und die lange Jane, Jenny und die dünne Polly. Die anderen stelle ich dir vor, wenn sie aufwachen. Wir kümmern uns um dich, verlass dich drauf. Wir warnen einander vor miesen Freiern. Manche Mädchen haben an gewissen Praktiken mehr Spaß als andere, und dann tauschen wir. Mutter Howard hat nichts dagegen, solange die Kunden sich nicht beschweren, und ihre Schwester ist sowieso umgänglicher. Und wenn du dich erst mal daran gewöhnt hast, ist es keine schwere Arbeit.“ Sie lachte hell. „Wenigstens musst du nicht den ganzen Tag auf den Beinen stehen.“
    Mollie Biscuits hatte ihr nicht den Eindruck gemacht, sie sei dafür geboren, Männer zu verführen. Sie war rundlich und munter, aber nicht gerade hübsch. Auch die anderen Mädchen wirkten nicht wie sündige Verführerinnen, eher wie hübsche betrübte junge Frauen, die ihren Ruin mit Sicherheit nicht selbst verschuldet hatten, sondern Opfer eines widrigen Schicksals geworden waren.
    Emma hatte gewusst, dass sie anders war. Tief in ihrem Inneren war sie schlecht und hatte nichts anderes als dieses Leben verdient.
    Aber sie konnte das Beste daraus machen, für sich und die anderen. Und das hatte sie geschafft.
    Mollie Biscuits hatte recht gehabt. Mutter Howard war kurz nach Ostern gestorben, und ihre Schwester hatte die Leitung übernommen. Es war Emma nicht schwergefallen, ihr zur Hand zu gehen. Zum einen musste sie dadurch weniger Männern zu Diensten sein, die das White Pearl aufsuchten. Des Weiteren konnte sie Mrs Timmins allmählich davon überzeugen, das Haus sauber zu halten, den Mädchen besseres Essen vorzusetzen und mehr Geld von den Freiern zu verlangen. Emma hatte sie auch dazu überredet, Geld beiseite zu legen, um das Haus hübscher einzurichten, was anspruchsvollere und gepflegtere Kunden anzog, die auch bereit waren, höhere Preise zu bezahlen. Als Mrs Timmins starb, war Emma neunzehn und hatte genügend Erfahrung gesammelt, um die Leitung des Bordells zu übernehmen. Sie setzte sämtliche Zuhälter vor die Tür bis auf einen, der dafür zu sorgen hatte, die Mädchen vor gewalttätigen Kunden zu beschützen. Sie ließ Waschräume einbauen, stellte eine Köchin ein, die gutes Essen auf den Tisch brachte, und verteilte den Großteil der Einnahmen an die Mädchen.
    Die Mädchen, deren Gunst sie verkaufte, arbeiteten gern für sie und waren dankbar für ihre Fürsorge, aber Emma wusste, dass sie Buße tun musste für ihr sündiges Tun, zu dem sie von Geburt an verdammt war. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass ihre Mutter sich in den Tod gestürzt hatte, weil sie es nicht ertragen hatte, eine Ausgeburt des Satans geboren zu haben.
    Also hatte sie begonnen, drei Tage pro Woche freiwillig im St. Martin’s Hospital zu arbeiten, und Mollie Biscuits hatte sie begleitet. Keine achtbare Frau hätte je in einem allgemeinen Krankenhaus Dienst getan; dies blieb nur den Huren vorbehalten. Sie hatte Kranke und Sterbende gepflegt, verwundete Soldaten, heimgekehrt aus dem afghanischen Krieg, denen Arme oder Beine fehlten, in deren Augen der Irrsinn flackerte nach den Gräueln, die sie durchgemacht hatten. Viele dieser verstümmelten jungen Männer starben, und sie trauerte nicht um sie. Der Tod war eine Erlösung.
    Sie hatte Böden geschrubbt, blutige Verbände gewechselt und den Gestank eitriger Geschwüre ertragen. Sie hatte assistiert, wenn Ärzte Gliedmaßen amputierten, hatte schreiende Patienten festgehalten. Sie hatte Sterbende in den Armen gewiegt und ihnen leise walisische Schlaflieder vorgesungen. Sie hatte die Toten gewaschen und die Lebenden gefüttert.
    Und an einem stürmischen Wintertag war sie Brandon Rohan begegnet, und ihr Leben war nicht mehr wie

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