Im Sog der Sinnlichkeit
ehe die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, hörte sie sein leises Lachen.
Benedick sank in den Sessel zurück und rieb sich nachdenklich das Kinn. Er musste schon sehr gelangweilt sein, um sich auf einen Abend in Gesellschaft von Charity Carstairs zu freuen. Er glaubte keine Sekunde an das Geschwätz, das sie ihm aufgetischt hatte, sie hingegen schien fest davon überzeugt zu sein. Aber er hatte an diesem Abend nichts Besseres vor. Die Elsmeres waren zwar ermüdend, aber einige seiner Freunde würden anwesend sein, und wenn seine Besucherin partout Detektiv spielen wollte, würde er sie nicht daran hindern. Sie bemühte sich so sehr, sachlich und kühl zu erscheinen, und war dennoch rasch aus der Fassung zu bringen. Er würde den Gästen ein paar Fragen stellen und abwarten, bis sie einen Rückzieher machen würde. Ihre Befürchtungen über den Satanischen Bund und dessen ruchlose Schandtaten waren nichts als haltlose Gerüchte. Das Bündnis hatte sich vor Jahren aufgelöst. Anlass war damals ein Treffen im Lake District gewesen, zu dem sein idiotischer Schwager es gewagt hatte, Benedicks Schwester zu verschleppen. Die Auswirkungen dieses Skandals waren so ungeheuerlich gewesen, dass niemand mehr gewagt hatte, die Orgien dieses Clubs sittenloser Müßiggänger wieder aufleben zu lassen.
Zumindest hätte er mit großer Wahrscheinlichkeit davon erfahren. Allerdings hatte er sich längere Zeit nicht in London aufgehalten, seit Barbara begonnen hatte, mit allen Männern seines näheren Bekanntenkreises zu schlafen. Und natürlich auch nicht im Trauerjahr nach ihrem Tod. Falls der Bund sich neu gegründet haben sollte, könnte Brandon sich ihm allerdings angeschlossen haben.
Nein, er weigerte sich, diese Möglichkeit in Erwägung zu ziehen, wollte lieber an Charity Carstairs verlockende Rundungen, ihre vollen Lippen und den strengen Blick ihrer blauen Augen denken, vielleicht könnte sie ihm wider Erwarten angenehme Zerstreuung bieten.
Auf Richmonds diskretes Räuspern hob er den Kopf. „Haben Sie die Schachtel Biskuits in die Kutsche legen lassen?“
„Selbstverständlich, Mylord. Soll ich in der Küche Bescheid sagen, damit sie noch welche backen?“
Benedick überlegte kurz. Ihm persönlich lag nichts an süßen Naschereien. „Es wäre ratsam, einen kleinen Vorrat davon anzulegen, Richmond. Ich befürchte, wir werden Lady Carstairs noch öfter sehen.“
„Sehr wohl, Mylord“, murmelte Richmond.
Und seltsamerweise glaubte Benedick einen erfreuten Unterton zu hören.
Rohans Karosse war der Inbegriff an Eleganz, und Melisande lehnte sich wohlig seufzend in die weichen Lederpolster zurück. Sie könnte sich eine solche Equipage ohne Weiteres leisten, hätte sich jedoch gescheut, derart übertriebenen Luxus zur Schau zu stellen in Anbetracht der Pein, die ihre Schützlinge durchgemacht hatten, ehe sie sich ihrer angenommen hatte. Allerdings genoss sie die Bequemlichkeit vorübergehend, wenn sie ihr schon aufgezwungen wurde.
Dieser Rohan war ein ausgesprochen unangenehmer Mensch. Sie hatte sich den Kopf zermartert, um eine andere Lösung zu finden. Sich an den verrufenen Lebemann zu wenden, war sozusagen der letzte Strohhalm, an den sie sich geklammert hatte. Schließlich hatte sie gewagt, ihn ohne Begleitschutz aufzusuchen in der Befürchtung, der Mut würde sie in letzter Sekunde doch noch verlassen. Auch hatte sie nicht wirklich mit seiner Hilfe gerechnet, wollte aber nichts unversucht lassen und auf keinen Fall einfach aufgeben.
Die Fahrt in die King Street dauerte nicht lang, und erst kurz vor der Ankunft entdeckte sie den kleinen Karton auf der Polsterbank gegenüber und griff danach. Auf dem Kärtchen unter der Schleife las sie ihren Namen in schwungvollen Schriftzügen. Kein Gruß, keine Unterschrift, dennoch wusste sie, dass es Rohans Handschrift war. Sie löste das Band, öffnete den Deckel und musste unwillkürlich lachen.
Die Schachtel war angefüllt mit feinstem Biskuit, von dem sie zur Teestunde bei ihm nicht genug bekommen konnte. Verflucht sei seine schwarze Seele! Er hatte natürlich bemerkt, dass sie dem erlesenen Naschwerk nicht widerstehen konnte. Sie sollte das Präsent auf dem Sitz liegen lassen, um ihm eine Abfuhr zu erteilen.
Aber den Gefallen wollte sie ihm nicht tun, damit hätte sie ihm nur bewiesen, dass sie seine Geste als kränkend empfand. Im Übrigen war Mollie zwar eine gute Köchin, aber in der Kunst der Patisserie war sie nicht bewandert. Sie würde sich jedes einzelne
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