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Im Sog der Sinnlichkeit

Im Sog der Sinnlichkeit

Titel: Im Sog der Sinnlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Stuart
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und keiner wusste, wer das Amt jetzt innehatte.
    „Dein Bruder macht uns Schwierigkeiten, Rohan.“ Die Stimme des Großmeisters klang dumpf unter der Kapuze, die sein Gesicht verhüllte. „Wir haben dich gewarnt, als du dich uns angeschlossen hast. Wir dulden keine Einmischung von Familienmitgliedern.“
    „Nicht meine Schuld“, verteidigte Brandon sich mit schwerer Zunge. Zum Teufel mit Benedick! Er würde ihn umbringen, wenn er Scherereien machte. „Habe keinen … Einfluss auf ihn.“
    „Solltest du aber. Sonst kümmern wir uns darum.“
    Brandon fielen die schweren Lider wieder zu. Selbst das schwache Licht in der Opiumhöhle schmerzte in seinen Augen, und er hasste es, aus seiner Trance gerissen zu werden, in der er Vergessen suchte. Nur dieser Traumzustand verschonte ihn vor dem ohrenbetäubenden Lärm der Geschütze, der Granateneinschläge, dem widerlichen Gestank des Krieges nach Blut und Verwesung, dem grauenvollen Anblick zerfetzter Leiber, den markerschütternden Schmerzensschreien der Verwundeten. „Mir egal“, murmelte er düster.
    Die vermummte Gestalt richtete sich auf. Selbst wenn der Mann nicht verhüllt wäre, hätte in dem abgedunkelten Raum wohl niemand sein Gesicht erkannt. „So soll es sein“, flüsterte er leicht lispelnd.
    Die Gestalt löste sich im Opiumdunst auf. Und Brandon sank wieder ins Vergessen.
    Melisande nickte erschöpft ein. Eben noch lag dieser lästige Viscount Rohan auf dem Bett neben ihr, und im nächsten Moment übermannte sie der Schlaf. Erst als der Arzt eintrat, wachte sie wieder auf. Rohan lehnte lässig am Kaminsims, den unergründlichen Blick auf sie gerichtet.
    „Wenn der Gentleman uns freundlicherweise allein lassen möchte“, begann Doktor Smithfield, und Melisande hätte ihn dafür küssen mögen. Dieser höflichen Aufforderung würde Rohan sich gewiss nicht widersetzen.
    Aber sie hatte ihn wieder einmal unterschätzt. „Dazu sehe ich keine Veranlassung“, erklärte er hochfahrend. „Ich habe den Knöchel der Patientin bereits untersucht, ohne ihr Schamgefühl zu verletzen. Tun Sie Ihre Arbeit.“
    „Ich muss darauf bestehen …“ Die Stimme des Arztes verlor sich, als Benedick sich zu seiner vollen Größe aufrichtete.
    „Und ich bestehe darauf, zu bleiben. Ich trage die Verantwortung für die Dame und überlasse sie nicht den Händen eines Quacksalbers, den ich nicht kenne.“
    „Ziehen Sie etwa meine Qualifikationen in Zweifel, Mylord?“ Dr. Smithfield, ein herzensguter Mann, der Melisandes Täubchen ärztlich betreute, ohne je Fragen zu stellen, fühlte sich in seiner Berufsehre gekränkt.
    „Ich stelle gar nichts in Zweifel. Diskutieren Sie nicht und untersuchen Sie Lady Carstairs.“
    Dr. Smithfield wollte zu einer Widerrede ansetzen, aber Melisande ergriff rasch das Wort. „Achten Sie nicht auf ihn, Doktor“, sagte sie liebenswürdig. „Er ist ein eigensinniger Mensch. Glauben Sie, der Knöchel ist gebrochen?“
    Brummend wandte er sich seiner Patientin zu. Es folgten einige ausgesprochen unangenehme Minuten, bevor der Arzt sich aufrichtete. „Meiner Diagnose nach liegt kein Knochenbruch vor, aber eine Sehnenzerrung, Mylady. Ich lege einen Stützverband an und verschreibe Ihnen Laudanum gegen die Schmerzen. Wenn Sie den Fuß zwei Wochen nicht belasten, werden Sie keinen bleibenden Schaden davontragen.“ Er bedachte Viscount Rohan mit einem strengen Blick.
    „Dafür werde ich sorgen“, bestätigte dieser sachlich. „Die Rechnung senden Sie selbstverständlich an mich.“
    „Ausgeschlossen! Ich bezahle meine Rechnungen selbst“, widersprach sie entrüstet, doch Rohan schenkte ihr keine Beachtung und begleitete den Arzt aus dem Zimmer.
    Als er sich ihr wieder zuwandte, funkelte sie ihn wütend an. „Gut, Sie können gehen. Der Arzt hat seine Diagnose gestellt, den Fuß bandagiert und mir ein Schmerzmittel verschrieben. Gehen Sie!“
    Er schien es immer noch nicht eilig zu haben, sich zu verabschieden. „Befolgen Sie seinen Rat und bleiben Sie zwei Wochen im Bett?“
    „Wo denken Sie hin? In fünf Nächten haben wir Vollmond. Ich bleibe doch nicht im Bett und lasse unschuldige Frauen foltern und vielleicht sogar töten. Niemals! Ich werde alles tun, um das zu verhindern!“
    „Wollen Sie in Ihrer Unvernunft tatsächlich riskieren, einen bleibenden Schaden davonzutragen und ein Leben lang verkrüppelt zu sein?“ Er klang kühl und geschäftsmäßig. „Das lasse ich nicht zu. Unsere Zweckgemeinschaft ist hiermit beendet, Lady

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