Im Sog der Sinnlichkeit
ohnehin angeschlagen ist. Ich hatte gehofft, dass du irgendwann zur Besinnung kommst, aber dein Lebenswandel lässt mich daran zweifeln. Der Satanische Bund treibt es entschieden zu weit, und das wird böse Konsequenzen für dich haben. Willst du wirklich Schande über unsere Familie bringen?“
„Oh, ich denke, unser Vater wird es überleben. Immerhin hat er seine Jugendjahre in diesen unheiligen Hallen verbracht. Und was Mutter anbelangt, so bin ich mir sicher, dass man ihr die Wahrheit verschweigt“, erklärte er gelassen.
„Und wie willst du ihr in die Augen schauen im Wissen, mit welchem Gesindel du dich herumtreibst, welche Schandtaten du begehst?“
„Ach, Bruder, ich habe nicht vor, so lange zu leben, um mir darüber Gedanken zu machen.“ Er erhob sich erstaunlich geschmeidig, trotz seiner Behinderung. „Und nun erspare ich dir meine Gegenwart. Ich habe bereits Vorkehrungen getroffen, mein Gepäck in meine neue Bleibe bringen zu lassen. Und du musst nicht … wie hast du dich ausgedrückt? … tatenlos zusehen, wie ich mein Leben ruiniere. Ich tue das im Stillen und sehr diskret.“
„Nicht, wenn du Mitglied des Satanischen Bundes bist.“
„Du unterschätzt mich. Adieu, Neddie.“ Er nannte ihn bei seinem Kosenamen aus Kindertagen. Und Benedick verspürte einen Stich im Herzen.
Er war gegangen, ehe Benedick reagieren konnte, es war zu spät, um ihn von einem Diener aufhalten zu lassen. Brandon verschwand einfach in den trüben nebligen Nachmittag. Und Benedick wusste, wenn er ihm seinen Willen ließ, wäre dies ein Abschied für immer.
Richmond war an der Türschwelle erschienen. „Ich nehme an, Master Brandon wird zum Dinner nicht zurück sein.“
Benedick seufzte. „Nein.“ In Richmonds unbewegter Miene und seinen sorgenvollen Augen las er den gleichen Schmerz, der an seinem eigenen Herzen zerrte. „Keine Sorge“, sagte er leise. „Ich lasse ihn nicht für immer fortgehen.“
„Sehr wohl, Mylord.“ Richmonds alte Augen glänzten feucht. „Ich vertraue Ihnen.“
Benedick hatte nicht die geringste Lust auf ein Ballvergnügen, aber zu Hause in dumpfes Grübeln zu verfallen, wäre noch schlimmer gewesen. Im festlich erleuchteten Vestibül von Worthingham House überreichte er Hut und Mantel einem Diener. Wieder eine Nacht mit langweiligen Leuten, sinnlosem Palaver, stickiger Hitze und Lärm. Er ließ den Blick über ein paar späte Gäste schweifen, nickte einem Paar zu, wechselte ein paar Worte mit einem anderen Paar und begab sich zur breiten Freitreppe. Musikklänge aus dem Ballsaal drangen an sein Ohr, und er verzog das Gesicht. Die Duchess of Worthington liebte die Musik ihrer Jugendzeit aus dem vergangenen Jahrhundert. Altmodische Tänze mit komplizierten steifen Schrittfolgen, die wenig Freude machten. Er nahm sich vor, umgehend den Spielsalon aufzusuchen, als Lady Marbury, eine mollige junge Dame, mit der er einst ein paar angenehme Nächte verbracht hatte, ihn einholte.
„Da sind Sie ja endlich, Rohan“, grüßte sie ihn mit einem koketten Schmunzeln. „Wir fragten uns schon, wo Sie so lange bleiben! Sie sollten vorsichtig sein, sonst wildert Harry Merton in Ihrem Revier.“
Er ließ sich seine Verwirrung nicht anmerken und lächelte höflich. „Das bezweifle ich. Harry versucht immer wieder, mich zu übertrumpfen und hat bisher stets den Kürzeren gezogen. Worum geht es diesmal?“
„Um Lady Carstairs natürlich! Sie sagte, Sie haben sie vorausgeschickt. Aber ich muss Sie tadeln, Lord Rohan, man lässt eine Dame nicht so lange warten.“
Er hatte sich gottlob so sehr unter Kontrolle, dass die sensationslüsterne Lady Marbury nicht bemerkte, wie es in ihm brodelte und ihm gotteslästerliche Flüche auf der Zunge lagen. Er schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. „Nun, dann sollte ich wohl mein Revier verteidigen“, entgegnete er liebenswürdig. „Sagen Sie mir, wo ich sie finde, damit ich Harry erklären kann, dass Übergriffe auf fremdes Territorium nicht klug sind, insbesondere nicht, wenn ein Rohan Anspruch darauf erhebt.“
„Er sitzt mit ihr dort drüben in der Nische neben einer Tapetentür“, erklärte sie bereitwillig. „Gerade richtig, um in das angrenzende Boudoir zu schlüpfen, wenn Lady Carstairs besser zu Fuß wäre. Leider hat sie sich den Knöchel verstaucht, aber schlimmstenfalls könnte sie ja die paar Schritte auf einem Bein hüpfen.“
Eigentlich sollte er Liebenswürdigkeiten von sich geben und der Dame die Hand küssen. Doch stattdessen
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