Im Sog Des Boesen
wies Lucas ihn an. »Ich bin in einer Viertelstunde bei Ihnen.«
Weather sah zuerst den Braten, die Kartoffeln, das noch warme Brot und dann ihn an und fragte: »Lucas?«
Er schüttelte den Kopf. »Deine Schuld - du hast mich auf den Fall angesetzt.«
»Wie bitte?«
»Sie haben Frances gefunden.«
ZWÖLF
L ucas wusste nicht, wie oft er in seinem Berufsleben schon zwischen Streifenwagen am Straßenrand gestanden hatte, eine Cola oder einen Styroporbecher mit Kaffee in der Hand, einen Leichensack vor sich im Graben, bleiche Gesichter in vorbeifahrenden Autos.
Nach seiner Ankunft mit dem Truck hatte er sich dem Deputy vorgestellt und war mit ihm zu der Leiche gegangen. Frances lag auf dem Rücken, das Gesicht alt und runzlig wie das eines Äffchens, die Lippen so verschrumpelt, dass die Zähne zum Vorschein kamen. Ansonsten schien ihr Körper aufgrund von Frost und langsamer Schneeschmelze halbwegs intakt zu sein. Sie befand sich nicht auf dem Boden des Grabens, sondern etwa auf halber Höhe an der der Straße abgewandten Seite.
Wahrscheinlich war dort im August das letzte Mal gemäht worden, was bedeutete, dass das Gras jetzt wadenhoch stand. Die Leiche war in eine durchsichtige, auf Hüft- und Kopfhöhe teilweise eingerissene Malerplane gewickelt. Von der Straße aus sah das Ganze wie ein Müllsack aus.
Lucas kniete neben Frances’ Gesicht nieder und holte ein Foto aus der Tasche, das er dem Kollegen zeigte. Der nickte. »Das ist sie.«
In der Plane befanden sich mit Blut vollgesogene Papiertücher, die der Täter offenbar bei der Putzaktion benutzt hatte. Lucas machte den Beamten darauf aufmerksam. »Vielleicht lassen sich damit im Labor Fingerabdrücke rekonstruieren oder Haarproben analysieren. Achten Sie bitte auf alle
Details. Es handelt sich um einen wichtigen Fall. Wir können uns keine Blamage leisten.«
»Sollen wir die Verwandten verständigen?«
»Das erledige ich«, sagte Lucas. »Meine Frau ist mit ihrer Mutter befreundet - ich nehme sie mit.«
Der Cop nickte. »In Ordnung.«
Lucas rief Weather an. »Ich kenne sonst keine Freunde von Alyssa, also wär’s gut, wenn du mich begleitest.«
»Ja, natürlich«, sagte sie. »Sollen wir uns dort treffen oder …«
Sie einigten sich auf einen Treffpunkt am Rand von Sunfish Lake; das sparte ihnen beiden Zeit.
Nach dem Gespräch mit Weather wählte er die Handy-Nummer von Jim Benson, dem ursprünglich auf den Fall angesetzten SKA-Kollegen. »Man hat Frances Austin in Dakota County gefunden.«
Benson fühlte sich auf den Schlips getreten, weil er nicht sofort informiert worden war, aber Lucas befand sich in der Hierarchie so viele Stufen über ihm, dass er es sich nicht leisten konnte, sich offen zu beschweren. Und dass Lucas sich bereit erklärte, die Verständigung der Angehörigen zu übernehmen, freute ihn. »Ich fahr zum Tatort«, verkündete er. »Ich hoffe, die verwischen keine Spuren.«
»Ja, darauf sollten Sie achten«, sagte Lucas, der ihn beschäftigt wissen wollte. »Sie ist in eine Plastikplane gehüllt, in der sich möglicherweise wichtige Spuren befinden.«
Lucas fuhr nach Sunfish Lake, wo er Lichter im Haus von Alyssa Austin sah. Hätte er doch etwas zu trinken oder zu lesen dabeigehabt und beim Warten nicht in die Dunkelheit hinausstarren müssen! In der Düsternis glaubte er das Gesicht von Frances zu erkennen, nicht, wie es früher gewesen war, sondern in seiner tödlichen Erstarrung.
Fünf Minuten später traf Weather ein. Er kurbelte das
Fenster auf der Fahrerseite herunter und bat sie, ihm zu folgen.
Sie stellten die Wagen in Alyssa Austins Auffahrt ab. Aus den Augenwinkeln nahm Lucas hinter einem der Fenster im ersten Stock eine Bewegung wahr. Er stieg aus und ging zur Haustür, um zu klingeln. Weather war vor ihrer Zeit als Mikrochirurgin in den Twin Cities Allgemeinärztin in einem kleinen Krankenhaus im nördlichen Wisconsin gewesen, wo sie bei eindeutigen Todesfällen hin und wieder ein gerichtsmedizinisches Gutachten abgegeben hatte. Die Verständigung von Angehörigen war deshalb nichts Neues für sie.
Sie gesellte sich zu Lucas und legte die Hand auf seinen Unterarm. »Ich höre Schritte.«
Alyssa schaltete das Außenlicht ein, schaute durch das Glas rechts neben der Tür, öffnete sie, sah sie einen Moment lang an und wich dann zurück. »Nein, nein, nein, nein, nein …« Dabei lächelte sie, als könnte sie die schlechte Nachricht in eine gute verwandeln.
Lucas trat ein und sagte: »Die Deputys von
Weitere Kostenlose Bücher