Im Sommer der Sturme
transportieren.«
Frederic nickte nur und schwieg.
Aber so schnell konnte Paul sich nicht beruhigen. »Außerdem wissen wir beide, dass er die finanziellen Mittel kontrolliert, die Auswirkungen auf deinen gesamten Besitz haben.«
»Das liegt allein daran, dass er in Virginia lebt.« Frederic faltete die Hände und legte sie an die Lippen. »Was soll ich deiner Meinung nach tun?«
»Streiche ihn aus deinem Testament«, mischte sich Agatha in das Gespräch. »Damit er erkennt, wohin seine Spielchen führen.«
»Wirklich? Glaubst du wirklich, dass wir Probleme haben?« Frederic legte eine kleine Pause ein, um die Frage wirken zu lassen. »Wir brauchen John in Virginia. Trotz seiner Fehler erledigt niemand die Aufgaben unseres Unternehmens dort so gut, wie John das tut. Und was das Streichen seines Namens aus dem Testament angeht – John hat Spaß an seinen Scherzen und außerdem ein monopolistisches Interesse an den Geschäften der Duvoisins. Kannst du dir vorstellen, welche Spielchen er sich erst ausdenken würde, wenn er auch nur ahnte, dass Paul der Einzige ist, den er damit trifft? Das kann man sich kaum vorstellen. Das wäre ein gefundenes Fressen für ihn.«
So hatte Paul die Sache noch nie betrachtet. Sein Vater war ein kluger Mann. Er sah, wie Agatha nach einer vernünftigen Entgegnung suchte. Zwischen Tante und Neffe gab es keine Liebe. Agatha mochte John nicht, und ihr war sehr recht, dass er in Virginia lebte. Seit ihrer Hochzeit mit Frederic sorgte sie sich vermutlich um ihre Zukunft, wenn John eines Tages das Erbe seines Vaters antreten würde. Insgeheim grinste Paul, als er sich vorstellte, wie John die Gute aus dem Haus oder sogar von der Insel verbannte. Agatha befand sich auf der Suche nach einem Verbündeten, und dazu hatte sie sich Paul erkoren. Aber das Imperium der Duvoisins konnte nicht auf John verzichten, und solange er in Virginia lebte, war er auch der offizielle Erbe.
Da Yvette lange nicht zurückkam, verließ Charmaine das Kinderzimmer, um nach ihr zu sehen. Sie klopfte an der Tür zur Toilette. »Yvette? Geht es dir gut?«
»Ich hatte Magenschmerzen, aber es geht schon besser. Ich komme in einer Minute.«
Kurz darauf kam sie, und Paul folgte ihr auf dem Fuße. Er brachte gute Neuigkeiten: Charmaine hatte die Zustimmung seines Vaters, und Agatha verzichtete darauf, die Position der Gouvernante infrage zu stellen.
Sofort meldete sich Yvette zu Wort. »Mademoiselle hat gesagt, dass ein Schiff angekommen ist. Hat es auch Briefe von Johnny mitgebracht?«
»Nein, von Johnny nicht«, antwortete Paul knapp. »Aber ich habe einen Brief für Miss Ryan. Es tut mir leid, ich habe ihn völlig vergessen.« Er griff in seine Hemdtasche.
Hastig nahm Charmaine den Umschlag in Empfang, der Lorettas Handschrift trug. Sie hatte seit Monaten nichts mehr von den Harringtons gehört und überflog den Inhalt.
»Was schreibt Mrs. Harrington denn?«, fragte Jeannette.
»Oh, sie berichtet von einer Eisenbahn.«
»Einer Eisenbahn?«
»Im letzten Jahr wurde viel darüber geredet. Aber ich habe die Stadt verlassen, bevor der Bahnhof fertig war. Mrs. Harrington ist zusammen mit ihrem Mann und Gwendolyn nach Fredericksburg gefahren, wo ihre beiden Söhne leben. Dabei haben sie direkt hinter der großen Lokomotive gesessen.«
Charmaine blickte von einem Gesicht zum nächsten, sogar Pierre schien sich für die Eisenbahn zu interessieren. In einem der Hefte, die Paul aus Europa mitgebracht hatte, hatten die Mädchen etwas über Dampflokomotiven gelesen. »Die Fahrt hat nur eine Stunde gedauert, obwohl Fredericksburg fünfzig Meilen entfernt liegt, und sie sind ohne Verspätung angekommen.«
»Wurde die Stadt nach Papa benannt?«, fragte Jeannette ganz unschuldig.
»Aber nein, mein Liebling«, antwortete Charmaine und half Pierre, der auf ihren Schoß klettern wollte.
»Ich möchte Johnny besuchen und auch einmal mit der Eisenbahn fahren«, sagte Yvette.
»Ich auch, ich auch«, rief Pierre begeistert.
Charmaine drückte den Jungen an sich. »Vielleicht fahren wir ja wirklich eines Tages hin«, sagte sie, doch als sie lächelnd zu Paul aufsah, bemerkte sie seine gerunzelte Stirn.
Samstag, 16. Juli 1837
Agatha ordnete die Papiere, die auf dem Schreibtisch ihres Mannes verstreut lagen. Frederic war bei den Kindern, sodass ihr ungefähr eine Stunde Zeit blieb, um Ordnung zu schaffen. Sie war überrascht, als sie plötzlich sein Testament in der Hand hielt. Hatte er es aus dem Safe genommen, weil er etwas
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