Im Sommer der Sturme
entzündete Paul den Lampendocht und stellte die richtige Höhe ein. Das Licht war hell und verscheuchte auch die letzte Dunkelheit aus den Ecken des Raums.
Der Sturm hatte an Kraft verloren, und Charmaine genoss das Gefühl der Geborgenheit, das ihr den Schritt über die Schwelle erleichterte. Als Paul ganz beiläufig über die Schulter sagte, sie solle das Tablett abstellen, gehorchte sie. Doch ihre Ruhe war augenblicklich dahin, als er sich umdrehte und sie die Leidenschaft in seinen Augen las. Unwillkürlich überlief sie ein Schauer.
»Ist Ihnen kalt?«, fragte er leise.
»Nein«, hauchte sie, da sie sich heftig zu ihm hingezogen fühlte.
»Fürchten Sie sich vor mir?«
Ja , rief ihre innere Stimme, und vor mir selbst. Guter Gott, wir sind ganz allein, und ich fühle mich wie verhext . Aber das behielt sie für sich. Gott bewahre! »Muss ich mich denn fürchten?«, fragte sie zurück.
Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite. »Das hängt ganz davon ab, wovor Sie Angst haben«, erwiderte er geschickt.
Herr im Himmel, sieht er gut aus . Eine Locke hing ihm in die Stirn. Doch Charmaine widerstand der Versuchung, das Haar zurückzustreichen.
Wieder blitzte es, und kurz danach erklang der Donner. Plötzlich erfasste ein Windstoß den Morgenmantel und presste ihn gegen ihre Beine. Eine halbe Ewigkeit sagten sie kein Wort. Pauls Augen glänzten, je länger er ihre schmale Gestalt und ihren unschuldigen Gesichtsaus druck bewunderte, der von den kleinen Locken noch betont wurde. Doch als sein Blick zu ihren Augen zurückkehrte, entdeckte er einen letzten Funken Angst. Reglos schleichend wie ein Panther näherte er sich seiner Beute.
Charmaine zuckte zwar kurz zurück, aber sie flüchtete nicht. Sie verharrte wie angewurzelt, bis sie nur noch einen Atemhauch voneinander entfernt waren. Sie legte den Kopf in den Nacken, um ihm ins Gesicht sehen zu können, und ihr Herz vollführte einen Satz, als seine raue Hand ganz zart über ihre Wange strich.
»So begehrenswert, so begehrenswert«, murmelte er völlig verzaubert, und sein Pulsschlag dröhnte ihm in den Ohren. »Ich kann nicht mehr denken, so sehr wünsche ich mir, diesen Mund zu küssen.«
Pauls Blick verharrte auf Charmaines Lippen, und sie schloss die Lider. Es gab kein Zurück mehr. Sie wollte sich nicht abwenden und sank ihm entgegen, mitten hinein in den wunderbaren Augenblick. Er umfasste ihre Schultern und zog sie behutsam in seine Arme. Sein Mund senkte sich auf ihre Lippen und küsste sie zuerst ganz zart, um ihre Unruhe zu bannen, dann aber fordernder und härter, dass die Schnurrbarthaare auf ihren Wangen prickelten. Schließlich verschlangen seine Lippen ihren Mund, und er presste ihren Körper ungestüm gegen den seinen, während die eine Hand ihren Nacken und die andere ihren Rücken liebkoste.
Der plötzliche Überfall ließ Charmaine schwindeln, doch sie erwiderte den Kuss. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen, ihre Hände glitten über seine muskulösen Arme und packten seine Schultern, sie drängte ihren Körper dicht gegen den seinen. Diese ungezügelte Gier strafte ihre Unschuld Lügen und erregte ihn über alle Maßen.
Urplötzlich unterbrach höhnisches Gelächter die Szene.
Mit leisem Fluchen machte Paul sich los.
»So ist es richtig, Paulie. Biete ihr ein Dach über dem Kopf, reiß ihr die Sachen vom Leib und dann ab ins Bett. Und wenn du sie satt hast, muss sie ihren hübschen Hintern bewegen und ohne große Kosten verduften.«
Charmaine schoss herum, um zu sehen, wer solche verletzenden Worte aussprach. Der Mann, der an der Tür zum Korridor lehnte, war von Kopf bis Fuß durchnässt und sichtlich vom Sturm gezeichnet. Er hatte stoppelige Wangen und trug eine lederne Kappe, die verwegen zurückgeschoben war. Aus dem Augenwinkel sah Charmaine, wie Paul seinen Morgenmantel glattzog, um einen würdigeren Eindruck zu machen. Doch was dieser Mann im Haus zu suchen hatte, schien ihn nicht zu interessieren.
Ohne weitere Förmlichkeiten betrat der Fremde die Bibliothek und schämte sich seiner nassen Kleidung nicht im Mindesten. Er umkreiste sie beide, bis Charmaine sich vor Entsetzen nicht mehr rühren konnte. Sie war gekränkt, als er sie mit frechem Blick von Kopf bis Fuß musterte und wie auf einer Auktion ihren Wert schätzte. Als ihre Blicke sich begegneten, senkte sie die Augen und starrte auf seine Stiefel. Sie hatten eine schmutzige Spur auf dem Teppich hinterlassen, als ob er direkt aus den Ställen gekommen wäre. Dann
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