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Im Sommer der Sturme

Im Sommer der Sturme

Titel: Im Sommer der Sturme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gantt DeVa
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einfach als verlängerte Ferien an. Und wenn du nach einer oder zwei Wochen immer noch nicht glücklich sein solltest, kannst du jederzeit nach Charmantes zurückkehren.«
    Gwendolyns Miene hellte sich zwar auf, doch jetzt hatte Charmaine das Gefühl, im Stich gelassen zu werden. Sie hatte sehr auf eine Freundin auf der Insel gehofft, die sie besuchen und der sie sich anvertrauen konnte, doch nun sah es ganz danach aus, als ob es ihr Schicksal sei, allein zu bleiben.

3
Freitag, 16. September 1836
Herrenhaus der Duvoisins
    Der offene Wagen schwankte sanft, als die Pferde von der größeren Straße abbogen und gemächlich über den einsamen Weg zum Herrenhaus trabten. Hier im Wald war so gut wie niemand mehr unterwegs, und die vier Insassen wurden augenblicklich vom Frieden der Insel eingehüllt. Die kleine Straße führte genau nach Westen zu ihrem Ziel auf die andere Seite der neun Meilen breiten Insel – zum Paradies von Jean Duvoisin II. Die östliche Seite von Charmantes war inzwischen dicht besiedelt, doch am Westufer wohnte nach wie vor nur eine einzige Familie: die Duvoisins. Weder die entlegenen Zuckerrohrfelder und Obstplantagen im Süden noch der Kiefernwald im Norden rund um die Sägemühle konnten es mit der großartigen Landschaft des Westufers aufnehmen, wo die Insel bis auf den Herrensitz noch immer so unberührt war wie am ersten Tag.
    »Was ist los, meine Liebe?«, fragte Loretta.
    Charmaine holte tief Luft. »Ich bin sehr nervös. Was, wenn sie mich nicht mögen?«
    »Dann gehen wir wieder.«
    »Oh, Mrs. Harrington, aus Ihrem Mund klingt alles so einfach.«
    »Genau das ist es doch auch«, erklärte Loretta mit einem aufmunternden Lächeln.
    Gestern hatten sie einen handgeschriebenen Brief von Colette Duvoisin erhalten, in dem diese ein Treffen am sechzehnten September um vier Uhr nachmittags vorschlug. In der Nacht hatte Charmaine kaum geschlafen und nur schwach gelächelt, als Harold Browning ihr am Morgen seine Begleitung angeboten hatte. »Dann ist es weniger offiziell.« Er wollte ihr die Sache erleichtern, und sie hatte ihm gedankt. Aber ihre Ängste wirklich beruhigen konnte auch er nicht.
    Als sie schon glaubten, dass die Fahrt nie ein Ende nähme, lichtete sich allmählich der Wald. Charmaine sah das Haus als Erste – ein prachtvolles Gebäude, von üppigem Grün umgeben, eine weiße Perle auf smaragdgrünem Teppich. Als sich der Wagen dem Eisenzaun näherte, der das weitläufige Grundstück umgab, wuchs das Gebäude höher empor als alle, die Charmaine bisher zu Gesicht bekommen hatte. Höher noch als die großen Herrenhäuser in Virginia. Das palastähnliche Haus war atemberaubend und so unbeschreiblich, dass sicher nur die größten Dichter die richtigen Worte finden würden.
    Zehn dorische Säulen ragten vor der Front des Gebäudes himmelwärts und trugen nicht nur eine Veranda im oberen Stockwerk, sondern noch eine weitere im Stock darüber, bevor sie unter dem überstehenden Dach aus roten Ziegeln endeten. Die Veranden erstreckten sich über die ganze Breite der Fassade und umgaben die ausladenden Seitentrakte, die sich im Süden und Norden im rechten Winkel anschlossen. So weit man sah, reihte sich eine französische Terrassentür an die nächste, die allesamt weit offen standen, um die sanfte Brise des Nachmittags einzufangen. Der Eingang des Gebäudes versteckte sich im Schatten zweier großer Eichen, die zu beiden Seiten der Auffahrt emporragten. Die Seiten des Hauses wurden bis weit nach hinten von Papayas und Palmen flankiert, aber unwillkürlich kehrte der Blick wieder zu den majestätischen Eichbäumen zurück. Harold erzählte, dass Frederics Vater die Setzlinge einst als Erinnerung an seine verstorbene Frau aus Virginia mitgebracht und vor dem Eingang eingepflanzt hatte. Heute, nach ungefähr fünfzig Jahren, waren sie zu mächtigen Bäumen herangewachsen und erinnerten daran, dass der Wohlstand der Duvoisins seinen Ursprung in Amerika hatte. Gleichzeitig betonten sie den perfekten Gleichklang und die wunderbare Symmetrie der gesamten Anlage, die nicht einmal von der später angefügten kleinen Kapelle am Südflügel gestört wurde.
    Alle schwiegen, während der Wagen durch das Haupttor und weiter über die gepflasterte Auffahrt fuhr und im Schatten der beiden Eichen anhielt, wo die vier Insassen ausstiegen. Charmaine gestattete, dass Robert Browning ihren Arm ergriff und sie die wenigen Stufen zum Säulengang und weiter bis zur Eichentür geleitete.
    Offenbar hatte der

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