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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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davor, dass plötzlich jemand dastehen würde. Ich wusste nicht, wer sonst noch einen Schlüssel zum Haus hatte.«
    »Wäre jetzt nicht der rechte Zeitpunkt gewesen, um zur Polizei zu gehen?«
    »Doch.«
    »Aber?«
    »Zwei Tage später wurde er erschossen.«
    »Und die zwei Tage reichten nicht aus?«
    »Im Nachhinein schon, doch. Aber wie hätte ich wissen sollen, dass das alles so schnell ein Ende finden würde?«
    »Wo sind die Videos jetzt?«
    »Ich weiß es nicht. Ich vermute, immer noch in seinem Haus.«
    »Sie haben keine mitgenommen?«
    »Nein. Wie sollte ich? Ich hätte damit rechnen müssen, dass er den Verlust entdeckt.«
    »Den Hausschlüssel haben Sie noch?«
    »Ja.« Sie griff in ihre Tasche, die sie auf den Stuhl neben sich gestellt hatte, und kramte ein dunkelbraunes Schlüsseletui hervor. Sie öffnete es und zog einen der üblichen Sicherheitsschlüssel mit dreikantigem Kopf vom Bund. Ihre Hände waren ruhig, und Eschenbach konnte nicht das geringste Zittern erkennen, als sie ihm den Schlüssel auf offener Hand entgegenstreckte.
    »Hier. Ich brauche ihn nicht mehr.«
    Eschenbach nahm den Schlüssel und legte ihn vor sich auf den Tisch.
    »Wann haben Sie Bettlach zum letzten Mal gesehen?«
    »Am Morgen, bevor ich die Bilder sah«, antwortete sie, ohne zu zögern.
    »Wann war das?«
    »Vor etwa zwei Wochen. Wenn Sie es genau wissen wollen, müsste ich nachschauen.«
    Eschenbach winkte ab. »Später vielleicht.« Er überlegte.
    »Und er hat Sie nicht angerufen oder auf dem Golfplatz getroffen?«
    »Angerufen ja. Mehrmals sogar. Aber ich konnte ihm aus dem Weg gehen.«
    »Und sonst?«, fragte der Kommissar. »Ich meine, fällt Ihnen noch irgendetwas ein – etwas, das sich in der Zeit zwischen Ihrer Entdeckung und dem Mord ereignet hat?«
    Sie dachte nach.
    »Haben Sie darüber gesprochen? Weiß noch jemand anders von Ihrer Entdeckung?«
    Doris Hottiger zögerte, dann nickte sie. »Ja, mein Vater … ich musste mit jemandem darüber sprechen. Ich hielt es nicht mehr aus.«
    »Und? Wie hat er darauf reagiert?«, wollte Eschenbach wissen.
    »Beherrscht …«, sagte sie und lächelte verlegen. »Er ist immer beherrscht. Ich glaube, das hat mit seinem Beruf zu tun.« Sie zupfte an einer Haarsträhne. »Er hat mir einfach zugehört.«
    »Sonst nichts?«
    »Doch.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Ich müsse damit zur Polizei, meinte er.«
    Eschenbach schwieg.
    »Und ob er zurückkommen solle, hat er gefragt.« Wieder kaute sie auf ihrer Lippe und wich Eschenbachs Blick aus. Dann fügte sie hastig hinzu: »Ich weiß, ich hätte nicht warten sollen.«
    »Sie meinen, Ihr Vater ist gar nicht hier?« Eschenbach hob erstaunt die Augenbrauen.
    »Nein, er ist in Amerika. An der Penn State University in Texas. Er hat diesen Sommer eine Gastprofessur dort. Militärische Strategien … irgend so etwas unterrichtet er dort. Ich hatte ihn angerufen, nachts, als ich nicht schlafen konnte.«
    »Haben Sie eine Telefonnummer, unter der ich ihn erreichen kann?«, fragte Eschenbach.
    Doris Hottiger kramte wieder in ihrer Tasche, nahm ihr Notizbuch und etwas zum Schreiben heraus und notierte die Nummer auf einem Zettel. »Hier, das ist die Nummer seines Mobiltelefons.«
    »Danke. Ich glaube, das wäre für heute alles.« Eschenbach blickte auf die Uhr und erschrak. Es war zehn vor sieben. Um sechs hatte Kobler ihn sehen wollen. Er würde den Termin verschieben, er hatte einfach keine Lust mehr.
    Doris Hottiger zog ihre Tasche zu sich herüber und fingerte an einem Anhänger, der eine Sonne symbolisierte.
    »Hat Claudio – ich meine, Herr Jagmetti – jetzt Probleme, wegen dem, was war? Wegen mir, meine ich?«
    Eschenbach stand auf und fasste sich mit der Hand ins Kreuz. Doris Hottiger stand ebenfalls auf, hängte sich die Tasche um und sah den Kommissar fragend an.
    »Sie haben sich da beide etwas eingebrockt. Bleiben Sie in der Stadt und lassen …« Er brach den Satz ab und streckte ihr zum Abschied freundschaftlich seine Hand entgegen.
    »Herrgott noch mal, Eschenbach!«, tönte es aus dem Handy. »Sie hätten wenigstens anrufen können.«
    »Ich weiß«, war die kurze Antwort auf die langatmigen Vorwürfe seiner Chefin. Trotz der Kürze seiner Antwort konnte der Kommissar den mürrischen Unterton nicht verbergen. Sie hatte Recht, und es war ihm auch nicht wohl dabei gewesen. Es war nicht seine Art, vereinbarte Sitzungen einfach sausen zu lassen; sich weder zu melden noch für das Versäumte zu entschuldigen.
    Das

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