Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
Vom Netzwerk:
und geraten. Er hatte nichts übrig für diese Spiele, die in letzter Zeit wieder groß in Mode gekommen waren. Er fand es lächerlich, wie unter dem Deckmantel von Bildung Lotto gespielt wurde. Corina meinte, es liege an seinem Beruf. Vielleicht hatte sie ja Recht.
    »Ich gebe Ihnen eine Auswahl.« Frau Mazzoleni ließ nicht locker. »A: Hundert Franken. B: Zweihundert Franken. C: Fünfhundert Franken, oder D: Nichts.«
    »Mit oder ohne Kaffee?«
    Sie überlegte kurz, dann sagte sie: »Ohne.«
    »Darf ich jemanden anrufen?«
    »Nein.« Die Antwort kam prompt. »Wir spielen ohne Joker.«
    »Welche Marke?«
    »Kommen Sie, es ist doch nur ein Spiel. Also: A, B, C oder D?«
    »Sagen Sie mir die Marke, dann gebe ich Ihnen die Antwort.«
    »Lavazza.« Die Antwort kam widerwillig.
    »Dann ist die Antwort D. Und mit Kaffee C. Mindestens C«, sagte Eschenbach.
    »D ist richtig, C ist falsch.« Rosa Mazzoleni hatte die Brille abgenommen, die nun an einem Goldkettchen hängend über ihrem Busen baumelte. Sie mimte den Moderatoren einer bekannten Spielshow, gestikulierte und legte Falten in ihr rundliches Gesicht, als hätte eine halbe Million Euro auf dem Spiel gestanden. »Wie kommen Sie auf C?« Sie schien über die Antwort enttäuscht zu sein.
    »Weil der Kaffee sauteuer ist«, sagte Eschenbach mit einem breiten Grinsen.
    »Ich hab aber deutlich ohne gesagt.«
    »Und ich habe deutlich D gesagt. Was habe ich gewonnen?«
    »Eine Tasse Espresso natürlich.« Sie lachte über ihren spontanen Einfall.
    »Mehr nicht?«
    »Das ist kein schlechter Preis. Sie haben ja selbst gesagt, dass er sauteuer ist.« Sie verschwand mit einem Augenaufschlag in Richtung der Küchennische, wo das neue Gerät stand.
    Eschenbach ging in sein Büro und hörte noch entfernt das Scheppern von Geschirr, bevor mit einem klackenden Geräusch ein sonores Brummen einsetzte.
    Auf dem Schreibtisch lag ein gutes Dutzend Notizen von eingegangenen Telefonaten. Frau Mazzoleni hatte die vorgedruckten Zettel, die die Verwaltung in hässlichem Umweltgrau gleich blockweise zur Verfügung stellte, in rechtwinklig ausgerichteten Viererreihen auf sein Pult sortiert. Es erinnerte ihn an Memory, das sie zu Hause spielten, als Kathrin noch ein Kind gewesen war. Im Moment hatten Big Brother und ein paar Vorabendserien im Fernsehen die besseren Karten. Eschenbachs Umgang mit Karten beschränkte sich auf die Abende mit seinen Freunden im Schafskopf.
    Frau Mazzoleni brachte den Kaffee in einem konisch geformten Tässchen mit dazu passender Untertasse, Zuckerdose und Sahnekännchen. Auch ein Schälchen mit Amarettigebäck stand auf dem Tablett aus Chrom, das sie ihm auf den Tisch stellte. Das makellose Weiß des gebrannten Tongutes erinnerte ihn an die Zähne seiner Banknachbarin vom Morgen.
    »Alles neu«, sagte Frau Mazzoleni, und bevor er etwas sagen konnte, fügte sie hinzu: »Ich nehme den Rahm und die Zuckerdose gleich wieder mit. Ich weiß ja, dass Sie ihn schwarz trinken … Aber es sieht so viel hübscher aus.« Sie strahlte mit dem Geschirr um die Wette.
    »Kann sich das Präsidium denn so etwas leisten?«
    »Raten Sie mal …«
    »Nicht schon wieder!« Sie bestand darauf.
    »Wenn Sie so fragen, Antwort D … ich nehme an, es hat auch nichts gekostet.«
    »Richtig.« Sie setzte wieder die Moderatorenmiene auf.
    »Und sicher konnten Sie noch gratis an einer Waschmaschinen-Verlosung teilnehmen.«
    Sie musste lachen.
    »Wer immer uns in Zukunft den Kaffee verkauft, er hätte Weihnachtsmann werden sollen.«
    »Wir Italiener sind halt einfach großzügig … das ist alles.« In der Selbstverständlichkeit und Nonchalance, wie sie diesen Satz aussprach, lag all das verborgen, was Italien so liebenswert und den Espresso, den er vor sich hatte, so unwiderstehlich machte. Und dabei ließen sie es auch bewenden.
    Dank dem Ordnungsfimmel von Rosa Mazzoleni hatte Eschenbach rasch einen Überblick, wer in seiner Abwesenheit alles angerufen hatte. Er wurde den Verdacht nicht los, dass seine Sekretärin die Telefonnotizen ganz bewusst in einer bestimmten Reihenfolge hingelegt hatte. Oben links, als Erste in der ersten Reihe Elisabeth Kobler, dann seine Frau, gefolgt von zwei Kollegen. Die Zettel der untersten Reihe raffte er zusammen und schmiss sie in den Papierkorb. Rosa Mazzolenis Prioritätsordnung schien mit seiner weitgehend identisch zu sein, außer dass er Corina mit Kobler getauscht hätte. Aber da war ihre Sicht aus verständlichen Gründen eine andere.
    In der

Weitere Kostenlose Bücher