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Im Sommer sterben (German Edition)

Im Sommer sterben (German Edition)

Titel: Im Sommer sterben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Theurillat
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mittleren Reihe fand er Marianne Felber vom Zürcher Tagblatt und ein paar Namen, die entweder neu waren oder mit denen seine Sekretärin nicht viel hatte anfangen können. Ein Name stach ihm gleich ins Auge. Eveline Marchand , darunter eine Pariser Nummer.

18
    Er hätte den Zug, der Basel um 18.30 Uhr in Richtung Paris verließ, um ein Haar verpasst.
    Es war ein trostloser Übergang, der vom bunt belebten Basler Bahnhof zu den französischen Gleisen führte. Das rege Treiben, ein Gemisch von Hallo und Adieu, das auf Schweizer Seite noch herrschte, war plötzlich wie weggeputzt.
    Seine Schritte hallten leer zwischen schmucklosen Wänden, als er sich den beiden Zöllnern näherte, die wild gestikulierend auf ein dunkelhäutiges Mädchen einredeten. Eschenbach wartete. Er sah auf die Uhr an der Wand neben dem Zollhäuschen. Drei Minuten blieben ihm noch.
    Er verstand nicht, warum es zwei Zöllner für nur ein Mädchen brauchte. Offenbar lag ein Sprachproblem vor. Sie sprach gebrochen Englisch, die Zöllner ununterbrochen Französisch. Wenn keiner der beiden Englisch konnte, dürfte es zu zweit nicht besser gehen, dachte Eschenbach. Das Mädchen fingerte nervös an ihren Rastazöpfen, die wie ein Busch Tannengeflecht in alle Windrichtungen vom Kopf abstanden. Wenn er recht verstanden hatte, ging es um eine Adresse in Mulhouse, wo ihre Schwester wohnte, oder arbeitete, oder beides.
    Eschenbach hätte gerne geholfen, zweifelte aber daran, ob sein eingerostetes Schulfranzösisch die Lage des Mädchens verbessern würde. Der Kommissar wusste nicht, wie weit es zum Gleis war, wo der Zug stehen und in ein paar Minuten abfahren würde. Es war über zehn Jahre her, seit er das letzte Mal mit dem Zug nach Paris gefahren war.
    Züge warten nicht, auch nicht die französischen, dachte er, und als er bei den Beamten weiterhin keine Anzeichen einer Arbeitsteilung erkennen konnte, ging er zielstrebig an ihnen vorbei. Seine Schritte wurden schneller, und er begann zu laufen. Sollte er den Zug nicht mehr erreichen, käme nur noch der Nachtzug in Frage; und mit dem würde er erst am nächsten Morgen in Paris-Est eintreffen. Er hatte keine Lust, die ganze Nacht in einem französischen Bahnwaggon zu verbringen. Während er lief, machte er sich darauf gefasst, sofort anhalten und umkehren zu müssen. Es war ein seltsames Gefühl, Zollbeamte im Rücken zu haben. Er überlegte, ob er den Kopf drehen sollte, ließ es aber bleiben; konzentrierte sich ganz auf das, was er hörte. Einen Ruf vielleicht, oder eine Trillerpfeife. Er dachte auch an einen Warnschuss, rechnete aber nicht wirklich damit.
    Es geschah nichts dergleichen. Auch nicht, als er am Ende des Korridors nach links abbog und sich außer Sichtweite fühlte. Nur das Hallen seiner stampfenden Schritte, sonst nichts. Die Reisetasche, in der er das Nötigste für eine Nacht eingepackt hatte, hielt er unter dem rechten Arm eingeklemmt, damit sie ihm beim Laufen nicht gegen die Hüfte schlug.
    Als der gellende Ton einer Trillerpfeife die abendliche Stille über den Gleisen zerriss, blieb Eschenbach schlagartig stehen. Er brauchte einen Moment, bis er merkte, dass es der Bahnhofsvorsteher war, der gepfiffen hatte. Ein kleiner Mann mit roter Mütze und rotem Schultergurt mit roter Tasche. So wie er sich als Kind einen richtigen Bahnhofswärter vorgestellt hatte. Er winkte ihm energisch zu und rief: »Venez, venez.« Dann fuchtelte er mit den Armen und deutete an, dass er weiterlaufen und den Zug besteigen solle.
    Nachdem sich Eschenbach mit einem Klimmzug die zwei Treppentritte hinauf in den Waggon gezogen hatte, schloss der Bahnhofswärter die Tür, pfiff zweimal und winkte. Kurz darauf setzte sich der Zug mit einem gewaltigen Ruck in Bewegung.
    Er konnte sich das Abteil aussuchen. Bis auf zwei waren alle leer. Eschenbach wählte ein Raucherabteil, setzte sich ans Fenster, zog seine Schuhe aus und legte die Beine mit einem Seufzer der Erleichterung auf das türkisfarbene Polster gegenüber.
    Der Kommissar war klatschnass. Die Flucht vor dem französischen Zoll, die nicht wirklich eine Flucht gewesen war, der schwüle Sommerabend, der Trillerpfiff des Bahnhofswärters, alles hatte ihn zu sehr angestrengt. Vielleicht war es auch das Alter, dachte er. Möglicherweise würde ein jüngerer Beamter das alles mit einem Schulterzucken wegstecken.
    Seine Augenbraue zuckte. Das vegetative Nervensystem, dachte er. Wie bei einem Huhn, das noch ein paar Meter fliegt, nachdem man ihm den Kopf

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