Im Sommer sterben (German Edition)
Versuch.
»Ich hätte mich gerne mit Ihnen über Eva Matter unterhalten.«
Es knirschte in der Leitung, die Stimme von Johannes Bettlach war nur ganz schwach zu hören: »Ich bin gerade … schlecht … Ausland bis … Hallo?« Vereinzelte Gesprächsfetzen knödelten sich durch die Unendlichkeit.
»Sind Sie noch da?« Eschenbach schrie.
Die Leitung war tot.
Der Kommissar fluchte und bat Rosa Mazzoleni um die Nummer der Zürcher Handelsbank.
»Er ist die ganze Woche im Ausland«, flötete Bettlachs Sekretärin. »Freitag gegen drei Uhr ist er wieder im Büro. Kann ich etwas ausrichten?«
»Er soll mich anrufen«, raunzte Eschenbach. »Und zwar umgehend, wenn Sie ihm das bitte sagen könnten.« Der Kommissar ließ sich für Freitag einen Termin geben und beendete das Gespräch. Missmutig knallte er den Bericht in seine Schreibtischschublade. Als er zusperren wollte, merkte er, dass er den Schlüssel nicht fand. Er wusste gar nicht, ob er je einen besessen hatte.
Er verließ sein Büro und bat Rosa, während seiner Abwesenheit niemanden in sein Büro zu lassen.
»Ich lasse nie jemanden in Ihr Büro.«
»Und wenn Sie mal nicht hier sind?«, beeilte Eschenbach sich zu fragen.
»Dann schließe ich zu. Das tue ich schon seit über zehn Jahren. Ist Ihnen das noch nie aufgefallen?«
»Wie sollte es mir auffallen, wenn ich nicht hier bin?« Eschenbach zog die Augenbrauen hoch; es war ein lahmes Argument. Natürlich wusste er, dass sie zusperrte, bevor sie abends nach Hause ging. Aber dass sie es auch tat, wenn sie mal für einen Schwatz in den ersten Stock ging, das hatte er nicht gewusst.
»Stellen Sie sich vor, es käme irgendwer. Es könnte ja jeder kommen«, sagte sie kopfschüttelnd. Sie ordnete gerade einen Berg Akten und hatte eine Büroklammer im Mund. »Und überhaupt, wo soll das enden«, fuhr sie fort, ohne aufzusehen. »Das fehlt mir noch, dass einer einfach so ins Büro des Kriminalkommissariats schleicht.«
In diesem Moment trottete Jagmetti den Gang entlang. Er wirkte ausgeschlafen. Trotzdem sah der Kommissar, dass sein Blutdruck im Keller und sein Selbstbewusstsein angeschlagen war.
»Hallo, bin wieder zu gebrauchen.« Er zwinkerte verlegen. Als weder Frau Mazzoleni noch Eschenbach seinen Gruß sofort erwiderten, hängte er noch ein flapsiges »Läuft’s nicht gut?« an.
»Doch, es läuft blendend«, kam es gepresst durch Frau Mazzolenis Mundwinkel. Sie sah nur kurz über den Brillenrand und vertiefte sich gleich wieder in die Aktenberge, die wie schlecht zusammengebundenes Altpapier vor ihr auf dem Schreibtisch lagen.
»Es geht«, murmelte Eschenbach. »Wir haben zu tun, Sie können gleich mitkommen. Wir fahren an den oberen Zürichsee, nach Lachen.« Er betonte die erste Silbe des letzten Wortes so, dass es sich nur um die Ortschaft und keinesfalls um das Verb handeln konnte.
»Dann viel Spaaaß«, zischte es aus den Akten. »Und übrigens, es gibt ein wunderschönes Designhotel in Laaachen.« Sie hatte die Büroklammer aus dem Mund genommen und drehte sie zwischen den Fingern. »Hervorragende mediterrane Küche. Ich rufe gleich an und reserviere einen Tisch.« Sie drehte an ihrer Roll-Kartei, dass die Kärtchen flogen. » Al Porto , hier haben wir’s. Es liegt direkt am See. Ihr werdet es bestimmt finden.« Sie hatte schon zum Hörer gegriffen, besann sich aber anders und schrieb die Nummer auf einen Zettel. »Hier, rufen Sie selbst an.« Ohne eine Reaktion abzuwarten, kramte sie einen Schlüssel aus ihrem Pult, stand auf und ging die paar Schritte zu Eschenbachs Büro. Dann steckte sie den Schlüssel ins Türschloss, drehte ihn zweimal um und lächelte: »Ich hab jetzt nämlich Pause, meine Herren!«
Sie fuhren mit Eschenbachs altem Volvo auf der Autobahn, die erhöht entlang der linken Seite des Zürichsees in Richtung Chur verlief.
Jagmetti sah bleich aus.
»Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Eschenbach. Der junge Polizist verzog den Mund.
»Kunststück. Kein Frühstück, da wäre mir auch schlecht.« Er kurbelte sein Fenster herunter, und der sommerliche Fahrtwind pfiff durchs Wageninnere. »Gleich da vorne fahren wir raus und essen etwas, dann kommen Sie wieder auf Touren.«
Nachdem sie den Wagen auf einen Parkplatz direkt vor dem Eingang zum Tankstellenshop gestellt hatten, kauften sie Sandwiches und Cola, setzten sich schweigend auf eine Bank und aßen.
»Besser?«, fragte Eschenbach nach einer Weile. Jagmetti nickte kauend und spülte den Rest mit Cola runter. Dann fuhren sie
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