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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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Und die Mädels sollten keine Hasenohren tragen.
    Die Mädels bilden eine Kette bis zur Bar und transportieren Bier und Drinks zu den Boxsportfreunden. Die Mischung gefällt ihm nicht. Das Licht verwirrt ihn. Zu viele Stimmen in dieser Nacht. Unseriös. Obwohl er diese Mischung ganz genau kennt. Aus der Stadt im Osten und von früher. Du bist übervorsichtig, denkt er, scheinbar haben sie alles im Griff. Man muss mit den Wölfen heulen …, ach, was für ein Schwachsinn. Leise Musik, der Boxkampf läuft.
    »Du siehst nachdenklich aus, Partner.« Der Oberst steht plötzlich neben ihm, war für eine ganze Weile verschwunden.
    »Der Partner überlegt, wer die Partner sind.« Er trinkt und stellt das Glas auf die Theke.
    »Ich habe zweitausend auf Tyson laufen. Herr Partner! Was hältst du davon?«
    »Achte Runde. Sieht nicht gut aus für ihn. Aber vielleicht kommt er ja noch.«
    »Und tausend gehen auf Holyfield. Bei einer Quote von zehn zu eins.«
    »Das heißt …«
    »Das heißt, gewinnt Tyson, so wie wir alle dachten …«
    »Ich habe das nicht gedacht.«
    »Du bist ein kluger Mann, so wie es bis jetzt läuft.«
    »Intuition.«
    »Hast du gewettet?«
    »Ich wette nicht. Nicht auf Sport.«
    »Vernünftig. Zu unsicher, nicht wahr?«
    »Darum geht es nicht. Prinzip.«
    »Ein Mann braucht seine Prinzipien.«
    »Sagt John Wayne?«
    »… gewinnt also Tyson, und danach sieht es gerade nicht aus, habe ich meine investierten dreitausend wieder zurück. Hab’s in Moskau platziert, Privatbuchmacher, die einzigen, die mir fünfzehn für zehn zahlten, hatten wohl eine Ahnung und wollten die Tyson-Wetter locken.«
    »Ist ihnen anscheinend gelungen. Aber vielleicht kommt er ja noch.«
    »Ich würde mit dir hier am Tresen wetten, dass er nicht mehr kommt. Wenn du wetten würdest.«
    »Sieht ganz so aus. Und wenn Holyfield gewinnt …«
    »Den habe ich hier gespielt. Good old Germany. Hier gesetzt. Zwölf zu eins. Das wären zwölf Riesen. Hätte ich höher kriegen können, habe nicht aufgepasst. Aber das Geschäft steht trotzdem.«
    »Zwölftausend. Auf beide gesetzt. Kein Risiko. Aber kein Gewinn, wenn der Favorit das Rennen macht.«
    Mario ist vor zum Bildschirm gelaufen, hat die Leute und die Bunnies zur Seite gestoßen und brüllt jetzt: »Hau ihn weg, hau ihn um! Friss ihn endlich auf, Mike!«
    Aber Mikes Hunger ist anscheinend im Knast geblieben. Er kassiert von Runde zu Runde mehr, und jeder im Wohnzimmer, der auf Iron-Mike gesetzt und gehofft hat, wird immer stiller, und in der zehnten Runde hängt er in den Seilen, sein Körper von einem seltsamen Licht umgeben (»Da isses doch wieder, verdammt nochmal!«), in das Holyfields Hände eindringen wie in flüssiges Plasma, und der Kampf ist vorbei. Ganz unspektakulär. Und out the Show! Das Plasma erstarrt, als der Körper fällt. Fällt. Fällt. Lichtschleifen. Cut.
    »Schau dir unseren Mario an, schau ihn dir an! Unser glattrasierter, lächelnder Junge. Lass dich nicht täuschen, er ist ein guter Geschäftsmann, hat meistens die richtige Nase, auch wenn sie bisschen breit ist, auf wen er setzen soll und auf wen nicht, aber du, und ich und der Kommissar …«, als er »Kommissar« sagt, es fast flüstert, lacht der Oberst, »er weiß, dass die Zeiten sich ändern werden …«
    »Mario?«
    »Mario. Er kontrolliert den Markt diesseits der Grenze. Er denkt, dass er ihn kontrolliert, aber ohne den Kommissar und ohne meine Immobilien, ohne die alten Kontakte, wäre er … Er ist bereit zu teilen. Anteile zu verkaufen, und unser neues großes Ding, es ist auch sein Ding, kann auch sein Ding sein, vorerst, du verstehst doch …«
    »Ich glaube schon, dass ich verstehe.«
    Der Graf trinkt und raucht Davidoff Filter, beobachtet die nackten Menschen in dem nackten Raum und denkt an seine Informationen. Der KGB, die Grenze, das Geld, die Frauen, die Händler und wie man den Fuß da reinkriegt, ohne dass der Sumpf gierig dran leckt. Er will fragen, welche Rolle die Russen in Zukunft spielen werden und ob die Rumänen groß aufspielen wollen wie bei der WM vierundneunzig, als dieser kleine Karpaten-Maradonna Gheorghe Hagi …, aber das passt jetzt nicht, und er weiß, dass diese Fragen und Antworten die Dinge nicht klären, nicht klarer machen würden. Was machen all diese Gestalten hier, wenn doch der Bulle einen sauberen, regulierten, seriösen Markt anstrebt. Und was macht der Bulle hier, wenn die Kanacken und das Viehzeug der Zuhälter, viele waren es ja nicht, das muss er

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