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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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’nem Glas Wein an der Bar oder bei …, wie hieß diese Dreiundzwanzig-Stunden-Kneipe nochmal?, Fußball, Philosophie, Leben und Krieg und Sinn und sowas. Auch wenn der immer früher oder später mit seinem Japan-Scheiß anfing. Oder war das China? Fernost in der Eastside. Der ist verschwunden, wollte Kariere machen bei den Engeln, lange bevor er, Hans, den Japaner kennenlernte und via Skype … »Was für ein verdammtes scheiß Netz? Hängen wir da drin im Jahr zweitausendzwanzig, oder was? Ihr habt zu viele Science-Fiction-Filme gesehen, Steffen, Arnold. Ihr seid doch wahnsinnig, ›Bild‹, Rotlichtführer, wir sind bereits in der Zukunft!«
    Hans hält das Foto, versucht, sich an ihn zu erinnern, wie sah der Typ früher aus, bestimmt hatte er ihn schonmal gesehen vor fast zwanzig Jahren, Anfang, Mitte der Neunziger. Straßenstrich? Security? Damals hieß das noch anders. Kam der aus der Fußballbrigade? Er wusste nur von der Scheiße, in die er verstrickt war, damals, Mitte der Neunziger. Er hatte nur sehr vorsichtig Informationen über ihn eingeholt, um kein Aufsehen zu erregen. Er musste die Sache ruhig angehen. Aber wie? Woher hatte das Arschloch seine Informationen? Ein Anruf vor fünf Tagen, am Nachmittag. Hier im Büro. Unbekannte Nummer auf dem Display. »Die Steine der Weisen glitzern.«
    »Was?«
    »In deiner Post ist ein Brief mit einer Nummer und einer Zeit. Ruf von einer Zelle an.«
    »Wer spricht da? Was willst du?«
    »Reisegeld. Hoch zwei.«
    Hans hatte sofort seine Post durchgesehen. Finanzamt, Freundeskreis der Sozialdemokratie, Bonusprogram Deutsche Bahn, Broschüren von Remy Martin und Rotkäppchen, Steuerberater, wieder Finanzamt, Anwalt 2, Rechnungen von Getränke Herrmann, mit dem er hin und wieder noch Geschäfte machte, aus alter Verbundenheit, obwohl er meist in den Großmarkt fuhr, Post von der städtischen Müllabfuhr, die Stadtwerke, das Kirchenblättchen der Gemeinde in der Nachbarschaft, seit er der halbverwirrten Alten, die hier mal wegen Spenden vorbeigekommen war, weit nach Mitternacht, seltsame Arbeitszeiten, einige Scheine in einem Anfall von Großzügigkeit in den leinenen Spendensack gesteckt hatte, bekam er jeden Monat das Kirchenblättchen, zwei Arztrechnungen, er war ja privat versichert, eigentlich müssten die ihm Provisionen bezahlen, weil er in den letzten Jahren einige der Mädels in diese Kasse gebracht hat, Firmensitz in Dortmund, ein Brief vom Arbeitsamt, sicher ging es um die letzten Besuche der Mitarbeiter im Außendienst, der Kontrolleure, die Kompetenzen hatten sich verschoben, wieder mal, ein dicker A5-Brief von der Hurengewerkschaft, so nannte er sie, obwohl sie einen anderen Namen hatte, und irgendwo inmitten dieses Packens im Briefkasten seines Clubs ein Umschlag, ohne Marke, ohne Absender, »An Herrn Pieszeck« stand dort in kindlicher Schrift, einer Mischung aus Blockschrift und Schreibschrift. Er hatte ihn zur Seite gelegt und die anderen Briefe sortiert und teilweise geöffnet. Er hatte schon vor Jahren eine Sekretärin einstellen wollen, eine Miss Moneypenny, die sich um den ganzen Kram kümmerte, aber was sollte sowas kosten, verdammt nochmal, wo ihn die Kosten sowieso schon auffraßen. Ja. »Morgen, Dienstag, 16.30«.
    Er hatte sofort rausgefunden, was das für eine Nummer war. Telefonzelle auf dem Zentralbahnhof, oben an den Gleisen. Der Typ schien nicht besonders hell zu sein. Er hatte überlegt, ob er hingehen sollte, zur genannten Zeit. Aber um sechzehn Uhr dreißig war dort der große Betrieb, das Kommen und Gehen, die Fernzüge fuhren im Stundentakt, die Regionalbahnen transportierten die Pendler in die Dörfer, die Kassen der Geschäfte in den unteren Geschossen des Zentralbahnhofs ratterten um diese Zeit. Immer Polizei unterwegs, Bahnhof-Security, alles videoüberwacht …, er hätte sich gefahrlos diesem Fremden, der von den Steinen der Weisen erzählt hatte, die angeblich so glitzerten, nähern können, ihn ansprechen können. Aber er wusste ja nicht, was genau und wer genau hinter alldem steckte. Was lief, verdammt nochmal, was lief … Jemand wusste, aber was genau? Und wer genau. War es ein Zufall, dass die Kanacken-Attacken seit Monaten …, aber er hatte die Versicherung aus Berlin. Er war der Mann mit dem Weg nach Japan. Er würde die Steine nach Japan vermitteln.
    Er hatte einen der Studenten, die sich um seine Webseite kümmerten, angerufen. Das schien ihm risikofrei. Und während er zu einer Telefonzelle vor der Kaufhalle am

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