Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
Vom Netzwerk:
gehen, und wenn die Anfangsschwierigkeiten überwunden waren, wenn sein Klein, aber fein! sich wiederfand im Strom der Zeiten und der Gelder …, scheiß auf den Bielefelder Graf und dessen Geschäftspartner aus Österreich, die beide immer predigten, dass man groß sein müsse, think big und die Aktie ROT oder so ähnlich … Und die Stripstunden an der Stange hinter der Bar verrechnete beziehungsweise bezahlte er auch. Er hatte sogar eine Zeitlang zwei Studentinnen gehabt, die wollten nur tanzen, aber die gingen mittlerweile auch auf Zimmer. Die Kohle ist eben immer zu verlockend.
    Was machte dieses Arschloch nur wieder in der Stadt? Der Typ, dieser Schmierlapp, war damals fast für den Professor in den Kahn gegangen, hatte wohl auch schon in U-Haft gesessen, Schiff ahoi , weil er mit dessen Tochter verheiratet oder zumindest zusammen gewesen ist und am Anfang die Schüsse aus der Jagdflinte auf sich nahm. Irgendein dummer Junge ist damals im Dreck verblutet, obwohl er nichtmal das Auto des Professors geklaut hatte. Bumm, bumm.
    Alte Geschichten. Was war nun wahr? Nach all den Jahren. Geschichten und Legenden, die ihn nicht interessierten, er hatte zu arbeiten, sich um sein Geschäft, seine Angestellten und die Mädchen zu kümmern. »Wenn die Tür zu ist, da geht’s nur noch ums Geld, ich meine, ist ja klar. Wir lästern und quatschen da an der Bar so vor uns hin, wie man eben so schwatzt, Sex and the City , nee, und die und die macht jetzt ohne, also das Blaskonzert, haha, nee, und die und die …, das ist ja eben so ein Geschwatze, und das tut uns auch gut irgendwie, da lachen wir auch viel, gehört ja auch dazu irgendwie!«
    »Wenn die Tür zu ist, geht’s nur noch ums Geld.«
    »Alles in Ordnung, Hans?«
    »Ja, ja, Mandy. Nur Selbstgespräche.«
    Der Keller unter dem Keller. In einer der Ecken steht ein Tisch mit einer Holzplatte, auf der die Schienen einer elektrischen Eisenbahn zwischen kleinen Bahnhöfen und Berglandschaften verlaufen. Und die Artefakte, die Antiquitäten, liegen in den Regalen auf Samt.
    »Leg dieses Ding weg. Was soll der Scheiß.«
    »Ja, ja, schon klar. Du liebst ja die Doppelläufigen.«
    »Wenn die mit Diamanten geladen sind.«
    »Das ist nicht so einfach, wie du dir das vorstellst.« Hans legt den seltenen Hybrid aus Revolver, Schlagring und Messer zurück ins Regal. Er fährt sich mit der Hand übers Gesicht, riecht das Öl, die Schmiere. Ein guter Geruch ist das. Er pflegt die Artefakte, die Antiquitäten regelmäßig, ölt sie regelmäßig ein. »Ist von der holländischen Armee. Ende Neunzehntes, Anfang Zwanzigstes. Ein Bastard. Im Prinzip unbrauchbar. Würde man abdrücken, würde es dir die Faust wegreißen. Weil es keinen Lauf gibt. Die Kammer schließt ab. Großes Kaliber. Neun Komma fünf. Sonderanfertigung. Selbst im Nahkampf macht diese Freakshow keinen Sinn. Das Messer wie ein Mini-Bajonett. Der Griff ein Schlagring. Die Klinge nur mit einer Schraube fixiert. Der Abzug durch keinen Bügel umschlossen. Offiziere trugen das Ding.« Er greift wieder ins Regal, führt die Finger in den Schlagring des Griffs. »Ein Kuriosum meiner kleinen Sammlung.«
    »Und ist’s was wert wenigstens?«
    »Doch, doch. Schon. Einiges. Zwei-, dreitausend. Ich kann dir eine kleine Tüte zusammenpacken. Kann dir zum Beispiel noch diesen Schöneberger 1892 drauflegen.«
    »Was?«
    Hans geht zu einem anderen Regal. »Eine Selbstladepistole im Bauhausstil, obwohl viel früher, mit einem wunderschön gezogenen, schlanken, schmalen Lauf. Siehst du den Ring unten am Kolben? Kann man ans Schlüsselbund hängen das gute Stück.«
    »Bleib mir vom Hals mit diesem Scheiß.«
    »Was ist? Haben wir nicht alle Zeit der Welt? Da drüben liegt das Papier. Unsere schönen bunten Bilder. Du kannst es nehmen.«
    »Darf ich dir noch etwas anbieten?«
    »Entschuldige. Bin ich nicht ein schlechter Gastgeber? Wir müssen doch trinken, auf das Geschäft und auf das Schweigen. Sind fast alles Schaustücke hier. Schießen nicht. Ich habe eine Waffenbesitzkarte, aber die Schlagbolzen sind raus. Bei den meisten. ›Springer Urvater‹, uralt, das ist was für uns zwei.«
    Hans dreht den Verschluss von der Flasche, die er am Nachmittag aus dem Tresor geholt hat. Er geht zu dem Tisch in der Ecke, auf dem die große Holzplatte liegt, auf der er an seiner elektrischen Eisenbahn bastelt. Er nimmt das eine Glas, das zwischen den Schienen und Bergen und Häusern steht, und geht wieder rüber zu dem kleinen Bürotisch, auf

Weitere Kostenlose Bücher