Im Stein
Busbahnhof schlenderte, stand seine studentische Hilfskraft mit einem Fotoapparat vor dem kleinen Café in der Nähe der alten Wartehalle, in der jetzt ein Zeitungsladen war, und hatte den Anschluss mit der Nummer, die in dem Brief gestanden hatte, im Visier. »Hundert. Nur paar Fotos. Du hast doch sicher ’ne gute Kamera mit ’nem guten Zoom.«
»Hallo?«
»Hans Pieszeck?«
»Wer sonst.« Der Typ, der Noch-Unbekannte hatte anscheinend zu viele Filme gesehen. Was für ein Blödsinn. Mitspielen, vorerst.
»Damit wir uns verstehen, ich bin nicht allein.«
»Du. Ihr. Und weiter?«
»Ich denke, du weißt, worum es geht.«
»Hm. Erzähl’s mir.«
»Es glitzert hell, so hell …«
»Du solltest deutlicher werden, sonst lege ich auf.«
»Nein, Hans Pieszeck. Das wirst du nicht tun.«
Hans hörte die Lautsprecheransagen im Hintergrund. Rauschen und Knacken in der Leitung, das Klimpern von Münzen, der Typ warf wohl Geld nach. Stimmen, wieder Lautsprecheransagen, Stimmen von Frauen, die sich anscheinend direkt neben dem Münzfernsprecher unterhielten, dann leiser wurden. Bahnsteige und Züge neben und hinter dem Mann, der vom großen Glitzern sprach.
»Die Frage ist, was wirst du tun.«
»Die Frage, Hans Pieszeck, ist: Was ist es dir wert.«
»Ich bin ein Arbeiter, ich schufte seit Jahren für mein Geld. Und glitzern, glaub mir, wo soll es groß leuchten? Wenn du einen Job suchst, komm zu mir. Stell dich vor. Du weiß, wo du mich findest. … Warte, einen Moment.« Hans warf ein Zweieurostück in den Schlitz. Ein paar Meter hinter ihm öffnete und schloss sich die Tür der Kaufhalle, des Supermarkts, im stetigen Strom der Einkaufenden, der Beladenen, die nach Feierabend ihre Depots auffüllen wollten und mit großen Füllmengen wieder rauskamen. Er hörte das Klappern der Einkaufswagen, die leer aus dem dreigleisigen Verschlag gezogen wurden und leer wieder in den dreigleisigen Verschlag geschoben wurden. Schnell noch eine angezündet. »Wo waren wir stehengeblieben?«
»Du bist nicht bei der Sache, mein lieber Hans.«
»Ich glaube nicht, dass wir uns so gut kennen.«
»Ich kenne das, was du hast.«
»Du hast Angst, dass man mich abhören könnte, deswegen diese Filmkulisse.«
»Nein. Du bist sauber. Wer weiß das nicht. Aber wir sind vorsichtig. Mach mir ein Angebot.«
»Eins, das du nicht ablehnen kannst? Ich war ehrlich vorhin.«
»Ich kannte mal einen, der sagte immer: Herzen wie Diamanten.«
»Wie kann ich dir ein Angebot machen, wo du von Anfang an sagst: hoch zwei.«
»Das war nur die Tendenz. Ich denke, ich weiß, um wie viel es geht.«
»Du denkst, Unbekannter. Wie sollen wir jemals zusammenfinden, wenn du so viel denkst.«
»Hans, Hans. Herr Pieszeck. Ich habe gehört, sie zahlen viel Geld in Berlin für Informationen. Die Ämter, die Schmieren. Ich habe gehört, dass die Nullen wachsen hintendran. Und ich komme zu dir mit weit weniger Nullen. Es kann und wird alles unter uns bleiben. Die Reinheit, Hans. Du kennst doch auch noch diese Band ›Karat‹.«
»Erspar uns den Ostrock. Du weißt nicht, worauf du dich da einlässt. Und damit meine ich nicht mich.«
»Und deswegen ist meine …, versteh mich nicht falsch …, Forderung moderat. Ich will dir nicht reinfunken in deine Geschäfte. Aber vergiss mich nicht, damit ich vergesse.«
Hans drehte sich um, den Hörer immer noch dicht an sein Ohr gepresst. Ihm war nicht schwindlig, nein, nichts dergleichen. Er war vollkommen klar, spürte die Herbstluft, atmete tief ein und roch diese kühle feuchte Herbstluft, blickte in das gelbe Licht des sich öffnenden und schließenden Eingangs der Kaufhalle, strich mit der freien Hand über das Metall des Münzfernsprechers, schnippte die bis auf den Filter runtergebrannte Kippe weg, beobachtete einen Wagen mit Berliner Kennzeichen, der auf den Parkplatz fuhr, zog die Aufschläge seines Jacketts zusammen, während er den Hörer zwischen Wange und Schulter hielt, er hatte zugenommen, das gefiel ihm nicht, das Sakko passte kaum noch, er fingerte eine Zigarette aus seinem Etui, dunkelbraunes Leder, das hatte ihm damals und vor Jahren die Mandy geschenkt, und spürte das Vibrieren der Stimme auf seiner Brust, weil der Hörer verrutscht war.
»Hans?«
»Ja.«
»Wir sollten die Details bereden.«
»Das sollten wir.«
»Wie sieht es morgen bei dir aus?«
»Nein. In drei Tagen. Ich brauche etwas Zeit, ich denke, das verstehst du.«
»Polizeiruf eins-eins-null. Die schöne Hundert. Und
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