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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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zehn Kästen Bier, tausend cash, Gipskarton gegen Fliesen, Terminlieferungen, Schneeballsystem, Achim der Fuchs, so nannten sie ihn damals. Neunzig hatten sie sich aus den Augen verloren. Als Hans nur noch in den Diskos und Bars und Tanzschuppen arbeitete, überall gab es neue Türen, und er hatte schon einen gewissen Ruf. Der Hans, der kann’s. Schweine-Hans. »Wie hast du mich jetzt genannt, du Arschloch?«
    »Achim. Bist immer noch auf den Dächern, schwingst immer noch den Hammer. Einmal im Stein, immer im Stein, was?«
    »Ach …« Er atmet laut aus, sie sitzen auf dem Bordstein neben Hans’ BMW und rauchen. »Ich will ja nicht klagen …«
    »Du klagst schon, Achim …«
    Und Hans fährt Richtung Mauer, durch die Mauer, fährt um das Areal, das jetzt Mauerpark heißt, fährt zu weit und weiß kurz nicht, ob er schon auf der anderen Seite der Mauer ist, ein Bahndamm hindert ihn am Weiterfahren, und er fährt eine Weile parallel zur Strecke, unter einer Brücke wendet er und bewegt sich wieder Richtung Osten, sieht dann die Flutlichtmasten des Stadions über und hinter den Häusern, er hat die Fenster runtergekurbelt und schwitzt, vielleicht hätte er seinen Mercedes-Kombi nehmen sollen, der hat Klimaanlage, wie sich das gehört heutzutage, aber der ist voller Kisten und Flaschen und anderem Kram, und er war zu faul, das alles rauszuladen, am Abend zuvor, am Morgen, er hat bis drei im Büro gesessen, eine Flasche Limo vor sich, er muss klar und frisch sein in der Hauptstadt, zuckerfrei, weil er Probleme hinten rechts hat, da tupft er Nelkenöl drauf seit ein paar Wochen, und die Mädels sagen, er riecht nach Zahnarzt, ein Glas Talisker gönnt er sich, den hat er seit einigen Monaten auf der Karte stehen, zwölf Euro für vier cl, das ist moderat, wenn er vergleicht, was der woanders kostet und was der Sekt und der Schampus kosten bei ihm. Früher hätte er sich was reingezogen am Morgen oder wann auch immer, vor der Abreise, aber seit er die leuchtenden Steine vor Augen hat und tief in seinen Träumen, wo sie neben den Körpern im trüben Wasser schweben und Strahlen durch diese endlosen Fluten schießen …, ja, verdammt nochmal, es sind doch Sümpfe, unterirdisch, zäh, schwarz, kein Licht und kein Sauerstoff und gar nichts … Ein Moor, und leer, denkt er und sitzt schwitzend, den Kopf zurückgelehnt, in seinem BMW, den er vorm Kreisverkehr geparkt hat, und blickt auf die verrostete, fast schon schwarze Eisenbahnbrücke, unter der der Kreisverkehr hindurchführt. Kleine Wälder auf beiden Seiten der Straße. Er kurbelt die Fenster hoch, obwohl er so schwitzt. Die dumpfen Detonationen eines Motorrads. Sieht aus wie ’ne Harley. Zwei Harleys, drei Harleys. Macht euch vom Acker, ihr Engel. Der Türke ist jetzt der Pate, neue Bündnisse, alte Pakte werden aufgekündigt, neu geschmiedet, weggeworfen, aufgefrischt, Pakete verschickt. Oben und unten, die Kanäle wechseln die Fließrichtung …, dunkle Limousinen fahren von Mitte über die Kurfürstenstraße, Kurfürstendamm, Charlottenburg, geflügelte Motorräder, macht euch vom Acker, ihr Engel, ein Hoch auf den neuen Fürst …, der König ist tot, lang lebe …, Kingsize-Betten, Klappliegen … Hans hat vorm KaDeWe gestanden, ist nicht reingegangen, eine Menge Steine, so viele Steine. Er lehnt sich zurück und sieht, dass die Eisenbahnstrecke, die zur Brücke führt, nicht mehr existiert. Keine Bahndämme mehr, nur noch diese schwarze eiserne Brücke, vergessen, mitten zwischen den Bäumen über den Straßen, überm Kreisverkehr. Er bewegt sich, neigt den Kopf, sucht die Sonne, das Blech seines Wagens glüht, aber sie stehen im Schatten, und die Baumwipfel schließen sich über ihm und seinem BMW wie ein großes dunkles Dach.
    Hans blickt auf die Motorhaube des Wagens, der sich langsam, ganz langsam aus der Toreinfahrt in den Hof bewegt. Er sitzt immer noch auf den Stufen der hölzernen Treppe. Der silber-metallic Mercedes hält im Schatten, die Sonne wandert seltsam, dann steht er wieder im Licht, Wolken oder Zeppeline am Himmel. Hans legt die Hand über die Augen, nimmt sie weg, legt sie wieder über die Augen, beschließt aufzustehen, bleibt dann doch sitzen. Zeit, eine zu rauchen, denkt er und greift nach dem Etui in seiner Innentasche. Er schiebt sich die Zigarette zwischen die Lippen und sucht das Feuerzeug. Die hinteren Scheiben des Wagens sind getönt, und er sieht nur den Fahrer und den Mann auf dem Beifahrersitz, verschwommen, als stände

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