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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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noch etwas Geduld, Süße, und ich muss aufpassen, dass mir nicht alles entgleitet, und der Schwan jedenfalls. Und ich gehe auf die Bäume zu, die den Park umgeben, und sehe einen großen See. Eigentlich mehrere Seen, die miteinander verbunden sind. Also zwei waren es, glaube ich. Der eine voller Seerosen, dicht mit Seerosen bedeckt, dass ich ihn erst für eine Wiese oder so etwas in der Art hielt. Dunkelgrüne Seerosenblätter, in meinem Traum blühten die Seerosen, irgendwann mal jedenfalls, es kommt mir vor, als hätte ich ihn vor Jahren geträumt, dabei war es doch gerade erst eben gewesen, ja, Liv.
    Und vor mir eine kleine Brücke, die Bäume öffnen sich wie ein Tor, eine kleine steinerne Brücke über einen Graben, der in den See führt, auf dem zwei Schwäne schwimmen, nur ein paar Seerosen liegen dunkelgrün auf dem Wasser. Die vielen Seerosen, fragst du? Ein Stück weiter hinter dem See mit den Schwänen, neben dem Weg, den ich gekommen bin, dem Hohlweg, am Waldrand, ein schmaler Damm zwischen den beiden Seen.
    Aber das interessierte mich alles nicht mehr, Liv. Denn da sah ich zum ersten Mal das Schloss. Ich stand auf der Brücke, und direkt vor mir lag es. Weißgraue Mauer, ein rotes hohes Ziegeldach, die Außenmauern direkt am Wasser des Sees mit den Schwänen, und in der Mitte des langgezogenen, mehrstöckigen Gebäudes erhob sich ein Turm, dessen Spitze ich kaum erkennen konnte, ich legte den Kopf zurück. Er war beinahe doppelt so hoch wie das Gebäude, ganz oben verjüngte er sich noch einmal, eine zwiebelförmige grüne Kuppel. Ich weiß nicht, wie ich dir dieses Schloss genau beschreiben soll, da müssen wir unbeding mal …, ja, ja, langsam mit den jungen Hunden. Das Ding war wie ein großes U, was anderes fällt mir jetzt nicht ein, nur dass die äußeren …, wie soll ich das jetzt sagen …, Balken … kürzer waren, in den Hof hineinstanden, also die beiden äußeren Gebäudeflügel. Und der untere Balken, also wenn du dir ein U vorstellst, eben etwas länger, und der Turm zwischen den beiden Gebäudeflügeln, er war nicht direkt rund, eher achteckig, das habe ich nun nicht gezählt …, ja, scheiße, das ist eben schwer zu beschreiben, bin eben ein Nachtclubbetreiber, der eigentlich Schlachter, meine natürlich Gärtner, gelernt hat. Jedenfalls war dieser Turm so gebaut, dass er …, ja, aus dem Gebäude hervortrat, der hintere Teil im Gebäude drin …, ach, verflucht, Liv, ein wunderschönes Schloss, mir sind bald die Tränen gekommen, sowas habe ich, weißt du, noch nie gesehen habe ich so ein schönes verwunschenes Schloss. Das lag da, wie auf einer großen Platte, mitten auf dem Wasser. Und kein Mensch zu sehen. Und da beginnt mein Traum. Wie ich in diesem Hof stehe. Und ich habe damals, also so lange ist das ja noch gar nicht her, ganz kurz gedacht, wie man eben sowas denkt, ob du’s glaubst oder nicht, dass ich irgendwie in eine andere Zeit geraten bin. Schon als ich den Schlosspark betrat, von dem ich ja da noch nicht wusste, dass es ein Schlosspark war, weil ich das Wasserschloss ja noch nicht sehen konnte hinter den Bäumen. Vielleicht lag’s auch am Oktober. Weil alles so ruhig und so … golden war. Laub auf den Wiesen, Laub auf den Steinplatten des Schlosshofes. Über die kleinen Mauern konnte man sich beugen und aufs Wasser blicken. Und später, vielleicht habe ich ja deshalb das alles geträumt, entdeckte ich ein Nebengebäude, eine andere Brücke führte dahin über einen Wassergraben, das muss ein Gesindehof oder ein Wohnhaus für die Dienerschaft gewesen sein, was weiß ich, wie so etwas genau heißt, und das stand jedenfalls zum Verkauf. War ein Schild dran. Mit ’ner Telefonnummer. Habe ich mir natürlich gleich aufgeschrieben. Und später auch angerufen. Ein schönes kleines gelbes Haus, zweistöckig, Barock, na ja, das konnte man schon sehen, ohne dass man sich mit sowas groß auskennt, barock. So wie das ganze Schloss. Ich hab sofort gewusst, dass das was für mich ist.
    Dass ich mich da mal zur Ruhe setzen werde.
    Und vielleicht hab ich ja deswegen diesen Traum hier bei dir gehabt. Und in der Stahlstadt, wo ich geboren wurde. Ich habe vorher nie von diesem Schloss geträumt. Und ich stehe also wieder auf diesem Hof, aber das Schloss sieht etwas anders aus. Das war nämlich schon ein bisschen angeranzt. Das Dach war neu, aber die Mauern, also der Putz, schon bisschen bröckelig. Ich meine, klar, das steht ja auf dem Wasser, direkt über dem Wasser. Und erst

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