Im Stein
dachte er, sah er Strukturen, Linien der Macht und des Geldes, Straße und Politik, der Genosse der Bosse und umgedreht. KLAPP KLAPP KLAPP, das Trommeln der Daten, Zahlen, Stimmen verwirrt ihn, weil jeder Hufschlag etwas Neues bringt, KLAPP KLAPP, die wilden Horden wie einst die Mongolen, konzentrier dich, kleiner alter Mann, du musst das Portal der Kirche in den Augen behalten.
Es gibt nicht die eine Familie in Berlin, die das Sagen hat / Jede der hier genannten Familien spielt eine gewisse Rolle in den kriminellen Strukturen der Stadt / Und wenn man sich als Unbedarfter mit einer der Familien anlegt, kann man Ärger bekommen / Aber nur einen Boss in dieser Stadt gibt es nicht, und die Strukturen ändern sich ständig / Das hat selbst Winne in der Oranienburger auf die harte Tour lernen müssen / Auch die beiden MC-Gruppierungen mischen mit / Aber die werden noch schlimmer von den Organen überwacht als die arabischen Familien / Und so schlau sind die alle nicht / Immerhin sitzen 3 der Abou-Chacker gerade in Haft / Einer fährt ständig ohne Führerschein und hat einen Haftbefehl, einer hat den Pokerraub organisiert und wartet auf sein Urteil (wirklich, wie dilettantisch das war), der andere wurde gerade verhaftet wegen Einflussnahme auf einen Zeugen / Das Oberhaupt der El bzw. Al-Zein Familie habe ich selber in Haft kennengelernt / Über Jahre hat er sich nicht brechen lassen, und dann hat er doch klein beigegeben / Jetzt hat er den größten Teil seiner Macht verloren / Aber mal zurück zum Thema: Bei den vorgenannten Familien kann man immer an den Falschen geraten, aber eigentlich sind die alle harmlos, wenn man das mit anderen Ländern vergleicht / Und wenn man Ärger haben will, kann man das auch mit den Albaniern haben, die halt einfach in einem anderen Bereich fischen und sich so nicht mit den arabischen Familien in die Quere kommen / Ich bin ein ganz normaler Junge aus dem Leben mit einer ehemaligen kriminellen Vergangenheit, für die ich bezahlt habe / Aber Berlin ist halt multikulturell, und als Berliner muss man sich damit arrangieren / Die Polizei hat längst aufgegeben / Die versuchen zwar immer wieder einmal die eine oder andere Aktion, aber die Polizei hat in Berlin keinerlei Macht. Stopp.
Er sitzt in der U-Bahn-Station, sitzt ganz still auf der Bank, spürt die Sonne und den Tag, die die Leute an ihm vorbeitragen, die U-Bahnen fahren und bringen die Winde mit aus den Schächten. Er lacht. Eine Zeitung auf den Knien. Die nimmt jemand weg. Aber er sitzt ganz still. Er erinnert sich an diesen Schimmel, dessen Bein brach, während des Rennens, und als er zu Boden ging, sich abzurollen versuchte vom stürzenden, einknickenden Schimmel, und als er dann auf dem Rasen liegt, dem feuchten Grün, sieht er ihn weiterhumpeln, weit hinterm Pulk der Pferde, die Richtung Ziel galoppieren, sieht, wie der rechte Vorderlauf, nur noch von Haut gehalten unterm Gelenk, hin und her schlenkert. Wo gehst du nur hin.
Und abschieben lassen sich diese Familien längst nicht mehr / Aber Angst haben vor den Familien muss niemand, der Eier hat / Die sind auch alle nicht kugelfest. Heute kommt doch jeder an eine Waffe heran, wenn er denn will / Die Deutschen sind halt nur meist schlauer und wollen nicht in den Knast / Das kann man auch als Schwäche auslegen / Aber es gibt genug Deutsche, die sich durchaus gegen einzelne Araber wehren könnten. Stopp.
Und er sieht sie im Schatten, sieht sie wie durch zwei kleine Spinnennetze hindurch, die seine Pupillen bedecken, Iris I, Iris II, Mädchen, zwei, jung und dünn, später hält ein Auto, er umklammert die Pistole, die er nicht in den Fluss geworfen hat, was interessiert ihn die Hauptstadt, dort ist jetzt Winter, er trägt zwei Pullover übereinander unter seinem Trenchcoat und fragt sich, wie die beiden Mädchen sich nur so dünn anziehen können bei dieser Kälte und warum sie nicht in einer Wohnung sitzen, aber in den Wohnungen hat er nicht solche Wracks getroffen, und er hofft und betet nach irgendwo in die oberen, kälteren Schichten der Luft, wo die Vögel und das Wasser gefrieren, dass sie in einer Wohnung sitzt, dass sie im Warmen sitzt, besser tot als auf der Straße, denkt er manchmal, er steht auf und geht zu dem Auto, die alte Kirche im Rücken, er ist in seiner Stadt, das weiß er ganz genau, holt seine Stabtaschenlampe aus seinem Trenchcoat, sieht, wie der Freier zurückschreckt, die Tür seines Wagens zuziehen will,
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