Im Strudel der Gefuehle
»Ich werde ein bißchen faulenzen und dir beim Sticken zusehen, während der Brotteig aufgeht.«
»Ist das dein Ernst?« fragte Jessica mit leiser Stimme.
»Unbedingt. Ich könnte den ganzen Tag faulenzen.«
»Ich meine das mit dem Fragen.«
»Selbstverständlich«, seufzte Willow und versuchte sich so hinzusetzen, daß das Baby es ein wenig bequemer hatte. »Was hast du auf dem Herzen?«
»Meine Frage ist sehr... persönlicher Natur.«
»Das macht gar nichts. Seit dem Bürgerkrieg bin ich ziemlich abgebrüht. Du kannst mich fragen, was du willst.«
Jessica holte tief Luft und sagte dann: »Du scheinst deinen Mann wirklich sehr gern zu haben.«
»O ja, sehr sogar. Er ist ein wundervoller Mensch.«
Willows haselnußbraune Augen leuchteten vor Freude, und ein strahlendes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
»Nein, ich meine, du hast deinen Spaß mit ihm. Körperlich. Im Bett.«
Willow schaute sie fragend an. »Ja, das könnte man so sagen.«
»Gibt es viele Frauen, die Spaß im Bett haben?«
Einen Moment lang mußte Willow an das Lachen ihrer Mutter und das leise Flüstern ihres Vaters zurückdenken, das sie oft spätabends im Schlafzimmer nebenan gehört hatte. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie die Augen der Witwe Sorenson jedesmal aufgeleuchtet hatten, wenn sie davon sprach, daß sie ihr ganzes Leben mit e in und demselben Mann verbracht hatte.
»Ich glaube, daß viele Frauen so empfinden«, antwortete sie schließlich. Dann gestand sie: »Ich konnte das nie verstehen, bis ich Caleb kennengelernt habe. Ich war mit einem Jungen verlobt, der im Krieg gefallen ist. Wenn der mich auf die Wange geküßt oder meine
Hand gehalten hat, war das ganz nett, aber ich hatte nie den Wunsch, mich ihm ganz und gar hinzugeben. Doch wenn Caleb mich anschaut oder lächelt oder mich berührt...«
Sie zögerte und suchte nach den richtigen Worten.
»Dann versinkt die ganze Welt um dich herum«, beendete Jessica leise ihren Satz und dachte daran, wie die ganze Welt für sie zum Stillstand kam, wenn Wolfe sie anlächelte.
Doch damit war es jetzt vorbei, und alles, was ihr statt seines Lächelns blieb, war das Heulen des Windes.
»Ja, alles andere wird unwichtig.« Einen Augenblick später setzte Willow hinzu: »Ich hätte nie gedacht, daß Kinder in einem Augenblick der Leidenschaft gezeugt werden, bis ich Caleb traf.«
Der Faden blieb in Jessicas verkrampften Fingern hängen, als unwillkommene Erinnerungen in ihr aufkamen. »Nicht alle Kinder werden auf diese Weise gezeugt. Ganz bestimmt nicht die meiner Mutter. Sie hat sich gegen meinen Vater gewehrt. O Gott, und wie sie sich gewehrt hat!«
Willow betrachtete Jessica unglücklich. Sie spürte ganz genau, wie sich ihr schlanker Körper vor Anspannung verkrampfte. In stiller Anteilnahme legte sie den Arm um Jessica.
»Waren sie denn nicht ineinander verliebt?« fragte sie leise.
»Mein Vater brauchte einen männlichen Nachkommen. Seine erste Frau kam zwar aus einer guten Familie, konnte aber keine Kinder bekommen. Als sie starb, hat er meine Mutter geheiratet. Sie war nur eine einfache Kammerzofe. Sie war damals mit mir schwanger. Der Graf hatte sich nämlich schon vor dem Tod seiner ersten Frau über sie hergemacht.«
»Dann herrschte also doch eine gewisse Zuneigung zwischen den beiden?«
»Schon möglich.« Jessica legte die Stickerei beiseite und rieb sich ihre Hände, die vor Kälte ganz steif waren. »Aber ich glaube eher nicht. Mutter war eine einfache Frau aus einer sehr armen Familie. Und der
Graf war ein Mann aus gutem Hause, der dringend einen Stammhalter brauchte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß so ein Akt der Verzweiflung eine gute Grundlage ist, um im Bett miteinander Spaß zu haben. Ich weiß genau, daß Mutter lieber alleine geschlafen hätte, aber es wurde ihr nur gestattet, wenn sie ihm vorher zu Willen war.«
Der hoffnungslose Ausdruck in Jessicas Augen war vielsagender als all ihre Worte.
»Das ist nicht in jeder Ehe so«, sagte Willow.
»In jeder Ehe, die ich bisher gesehen habe, war das so. Immer ging es nur um Stammbäume und Geld und nicht darum, daß ein Mann und eine Frau einen Bund fürs Leben schließen. Die Heirat, die mein Vormund für mich arrangieren wollte, hätte genau den gleichen Zweck verfolgt.« Jessica drehte sich um und sah Willow an. »Nur für dich und Caleb ist es nicht so. Du gehst sogar freiwillig mit ihm ins Bett. Und er... tut dir nicht dabei weh, oder?«
Bei dieser Vorstellung mußte
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