Im Strudel der Gefuehle
genauso wie sie jetzt gefühlt haben mußte, wenn der Graf sie trotz ihrer Schreie und geballten Fäuste ins eheliche Bett zerrte, wo er den Samen in sie pflanzte, der sie eines Tages in Stücke reißen würde.
Mrs. O’Conner stieß einen Schrei des Entsetzens aus und kniete sich im engen Mittelgang vor Jessica hin. »Mrs. Lonetree?«
Rafe versuchte erst gar nicht, Jessica anzusprechen. Er hatte gespürt, wie ihr ganzer Körper mit einem Mal erschlaffte. Er drückte ihre Wange an seine Brust, legte ihr die Handfläche aufs Ohr und pfiff dann laut genug, um Glas zerspringen zu lassen, was die Aufmerksamkeit der Männer auf dem Dach der Kutsche zu ihnen lenkte.
»Langsamer!« rief Rafe. »Eine der Frauen ist verletzt!«
Die Worte gingen Wolfe durch und durch. Er beugte sich so weit es ging über die Befestigung und schaute durch die zerrissenen Vorhänge ins Innere der Kutsche. Zuerst konnte er nichts erkennen. Dann machte Mrs. O’Conner einen Schritt zur Seite, und er sah, daß Jessica in den Armen des Fremden lag.
Die Kutsche war noch nicht ganz zum Stehen gekommen, als Wolfe vom Kutschbock sprang, ein paar Schritte neben der Kutsche herlief und die Tür aufriß. Flink wie eine Katze schwang er sich ins Innere.
»Ist sie getroffen?« fragte er und legte das Gewehr beiseite, das er immer noch in der Hand hielt.
»Nein«, sagte Rafe. »Als die Räder durch ein Schlagloch holperten, wurde sie hochgeschleudert. Sie hat sich den Kopf gestoßen und die Besinnung verloren.«
Wolfe schnaubte verächtlich. »Na, das erklärt jedenfalls, warum das Kreischen aufgehört hat.«
Rafe warf ihm einen erstaunten Blick zu, den Wolfe jedoch nicht bemerkte. Er war zu beschäftigt damit, dem Fremden Jessica vom Schoß zu nehmen und sie auf den eigenen zu heben. Mrs. O’Conner machte ihm Platz und rutschte in die äußerste Ecke der Sitzbank. Wolfe bemerkte das Mädchen kaum. Er bemühte sich, der plötzlichen Wut Einhalt zu gebieten, die über ihn gekommen war, als er Jessica in den Armen eines anderen Mannes gesehen hatte.
»Das war ein abenteuerliches Kunststück, das Sie da abgezogen haben, Mister«, sagte Wolfe, während er den blauen Fleck untersuchte, der sich an Jessicas Schläfe zu bilden begann. »Ich könnte nicht behaupten, ich hätte schon einmal jemanden so in eine Kutsche einsteigen sehen.«
»Rafe ist mein Name, und ohne Ihre Schießkünste und die Geistesgegenwart Ihrer Frau hätte ich nicht die geringste Chance gehabt. Wenn sie nicht die Tür aufgemacht hätte, wäre es mir wahrscheinlich niemals gelungen, mich mit einer Hand aufs Dach der Kutsche hochzuziehen.«
»Danken Sie Mrs. O’Conner. Ich befürchte, meine Frau hat die falsche Erziehung genossen, um eine Krise wie diese zu überstehen«, sagte Wolfe mürrisch. Er schaute Mrs. O’Conner an. »Erlauben Sie mir, mich auch bei Ihnen zu bedanken. Wenn Sie nicht den Mut gehabt hätten, mir den Gewehrkoffer nach oben zu reichen und sich damit ungeschützt dem Feuer auszusetzen, wären wir bestimmt nicht so leicht davongekommen.«
»Ich...« Die Stimme des Mädchens erstarb, als sie den grimmigen Ausdruck auf Wolfes Gesicht sah. Das indianische Blut in Wolfes Adern war deutlich zu erkennen. Ängstlich wandte sie den Blick ab. »Ich habe gar nichts gemacht.«
Wolfe vermutete, daß das Mädchen einfach nur bescheiden war. Er lächelte sie an und schaute dann wieder auf Jessica herunter. Sein Lächeln erstarb. Sie sah sehr klein und sehr zerbrechlich aus. Ihr Gesicht war blutleer. Sogar ihre Lippen, die sonst die Farbe reifer Kirschen hatten, waren jetzt bleich.
Willst du mir jetzt vielleicht endlich recht geben ? fragte Wolfe stillschweigend seine ohnmächtige Frau. Du bist nicht dazu geeignet, im Westen zu überleben, und schon gar nicht, um hier Kinder großzuziehen. Du bist ein Geschöpf aus Flitter und Mondlicht, eine Aristokratin, die keiner wirklichen Belastung standhalten kann. Was du brauchst, ist ein reicher Mann aus gutem Hause, der dich in Samt und Seide packen und dich vor allen Gefahren beschützen kann.
Und dieser Mann bin ich nun einmal nicht. Und werde es auch nie sein. Ich kann mich genausowenig ändern, wie du dich in eine Frau wie Willow verwandeln kannst. Ich kann nur versuchen, dich so lange am Leben zu halten, bis sogar deine Sturheit der Wahrheit weichen muß.
Wir passen eben einfach nicht zusammen.
Während Wolfe Jessicas zerbrechlichen Körper in den Armen hielt, verfluchte er sie und sich selbst im stillen dafür, daß sie
Weitere Kostenlose Bücher