Im Sturm der Gefuehle
zu seinem ehemaligen Burschen. »Er soll nie unbeobachtet sein. Du musst ihm auf den Fersen bleiben wie ein Bluthund dem Hasen .« Ives grinste ihn an. »Und ich würde es vorziehen, wenn du dabei nicht auffällst. Das gilt auch für die anderen«, setzte er hinzu und blickte in die Runde. »Denkt daran, dass Geheimhaltung oberstes Gebot ist. Er darf nicht merken, dass er beschattet wird.« Er runzelte die Stirn.
»Und schaut auch nach anderen aus, die ihn beschatten. Da mein Patenonkel vielleicht seine eigenen Spürhunde auf ihn ansetzt, möchte ich verhindern, dass ihr übereinander stolpert. Falls ihr argwöhnt, dass auch andere sich für ihn interessieren, meldet es mir unverzüglich.«
Die Männer nickten. William Williams fragte: »Und Sie, Sir? Was werden Sie tun?«
Ives verzog sein Gesicht. »Ich habe die angenehme Aufgabe, der Busenfreund dieses verdammten Kerls zu werden.«
Sich mit Meade anzufreunden war nicht weiter schwierig, da sie als gemeinsame Basis das Militär und einige Bekannte hatten. Als Ives mit Lieutenant Colonel Meade an jenem Abend speiste und ihn später in einen beliebten Spielsalon begleitete, staunte er, wie leicht es war, sich bei dem Mann einzuschmeicheln. Wenn man davon absah, dass er unter Spionageverdacht stand, war Meade ein angenehmer Kerl, ein wenig simpel, doch von lockerer, anspruchsloser Wesensart. Als Ives in den frühen Morgenstunden nach Hause kam, nachdem sie den Abend mit Glücksspiel, Alkohol und Frauenzimmern verbracht hatten, zweifelte er nicht daran, dass Meade nun glaubte, sie seien Busenfreunde.
Die Freundschaft mit Meade bedeutete Abend für Abend eine öde und voraussehbare Wiederholung der Vergnügungen, zu Ives' wachsendem Widerwillen bedeutete sie aber auch, dass er mit den Verdächtigen auf seiner Liste sowie mit anderen Gentlemen, die den inneren Kreis von Simon Marlowes Clique gebildet hatten, immer vertrauter wurde.
Seine nächtlichen Aktivitäten ließen Ives wenig Zeit für die faszinierende und wetterwendische Lady Marlowe, doch glückte es ihm immerhin, sie in den folgenden Wochen einige Male im Stadthaus der Graysons zu besuchen, und zweimal konnte er Sophy sogar zu einer Ausfahrt in den Hyde Park überreden.
Die Tatsache, dass man Ives nun nicht mehr regelmäßig auf den verschiedenen Bällen und Gesellschaften an ihrer Seite sah, blieb nicht unbemerkt, und Henry Dewhurst konnte es sich nicht versagen, deswegen zu sticheln. Als er sich ihr eines Abends nach herzlicher Begrüßung auf einem Ball näherte, konnte Henry sich einen diskreten Seitenhieb nicht versagen und raunte ihr zu: »Bilde ich es mir nur ein, oder ist der große Gentleman, der Sie in letzter Zeit so stark beanspruchte, von Ihrer Liste verschwunden?«
Hätte ein anderer diese Bemerkung gemacht, Sophy hätte mit Verärgerung reagiert, ihre Beziehung zu Dewhurst aber war so, dass sie seine Worte als die Neckerei auffasste, die sie sein sollten. Sie lächelte ihm matt zu. »Weh mir! Sie sehen, dass er mich verließ - dem Himmel sei Dank!«
Dewhurst lachte. »Ich fragte mich schon, wie lange Sie sich mit seiner herrischen Art abfinden würden.« Er warf ihr einen scharfen Blick zu. »Man sah Sie so oft in seiner Gesellschaft, dass ich schon glaubte, Sie hätten Ihre Absichten bezüglich einer neuerlichen Heirat geändert. Nun, wie steht es damit?«
»Guter Gott, nein!«, sagte Sophy fröhlich, obwohl das Lächeln, das ihre Bemerkung begleitete, ein wenig gezwungen ausfiel. Trotz ihrer leichten Worte schmerzte es sie, dass Ives sich so rar machte. Nicht sehr, sagte sie sich rasch, doch konnte sie nicht leugnen, dass ihr seine Gesellschaft fehlte - viel mehr, als sie zugeben mochte.
In diesem Moment kam Lord Grimshaw auf sie zu, dessen graue Augen wohlgefällig Sophys schlanke Gestalt musterten. Sie trug ein Kleid aus heller goldener Seide, das Schultern und Dekollete freizügig sehen ließ. Wie immer genügte Grimshaws Blick, dass sie Gänsehaut bekam. Von allen Freunden Simons verabscheute sie ihn am meisten.
Die wüsten Sitten und Derbheiten Marquettes und Lord Colemans, wie die der meisten von Simons Freunden, hatten sie abgestoßen, doch gegen Grimshaw hatte sie beim ersten Blick instinktive Abneigung gespürt.
Die anderen hatten skandalös mit ihr geflirtet, hatten dann und wann sogar versucht, ihr einen Kuss zu rauben, doch hatten sie nichts Bedrohliches an sich. Es war nichts weiter als die Reaktion abgebrühter Schürzenjäger auf die Nähe einer jungen Frau. Bei
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