Im Sturm der Gefuehle
Verquickung zweier Haushaltungen mit sich brachte. Er wollte, nein, brauchte eine gewisse Zeit allein mit seiner spröden Braut.
In diesem Moment raunte Roxbury ihm etwas zu, und er hatte keine Zeit mehr, weitere Spekulationen darüber anzustellen, welche peinlichen Tatsachen seine Tante Sophy wohl anvertraut haben mochte. Nachdem sie sich von ihren Gästen verabschiedet und Lady Beckworth im Stadthaus der Graysons installiert hatten, um endlich die Fahrt nach Harrington Chase antreten zu können, vergaß Ives den Zwischenfall völlig.
Nun saßen die Jungvermählten gemütlich in Ives' gut gefederter Reisekutsche und holperten etliche Meilen außerhalb Londons über die Landstraße nach Harrington Chase, das in der Nähe des Städtchens Chelmsford in Essex lag. Ashby und Sophys Zofe Peggy waren samt ein paar Koffern vorausgefahren.
Seit sie London hinter sich gelassen hatten, redete Sophy wie ein Wasserfall. Sie plauderte munter über die Hochzeit und die Gäste und wie lieb es von Lady Beckworth doch war, für ein paar Tage im Stadthaus zu bleiben. Es war klar, dass sie nervös war, und Ives ließ sie weiterreden, während er sich gemütlich in die dunkelbraune Plüschpolsterung zurücklehnte und hin und wieder eine Bemerkung einstreute, wenn ihr die Luft auszugehen schien.
Und Sophy war nervös. Die Erinnerung an die brutale Vergewaltigung durch Simon in einer Kutsche wie dieser wenige Stunden nach ihrer Hochzeit erfüllte ihr Gemüt mit beängstigenden Bildern. Sie saß kerzengerade da, so weit entfernt von Ives wie nur möglich, während ihr Blick unstet umherirrte und sie es vermied, ihren so jungen und so großen Ehemann anzusehen. Verzweifelt wünschte sie sich, sie hätte noch ihre Pistole zur Hand gehabt. Was sie daherredete, wusste sie nicht, doch der Drang, im Reden nicht innezuhalten, trieb sie zu den sinnlosesten Bemerkungen.
In der Meinung, sie würde nach einer Weile verstummen, gebot Ives ihrem Redefluss keinen Einhalt, doch als er merkte, dass dies nicht der Fall sein würde, beugte er sich über den schmalen Zwischenraum, der sie trennte, und sagte leise: »Sophy, lass das. Ich weiß nicht, wovor du Angst hast, aber sei versichert, dass ich nicht die Absicht habe, wie ein Raubtier über dich herzufallen.«
Seine Berührung ließ sie zusammenzucken, doch als sie seine ruhigen Worte hörte und seine Miene sah, ließ ihre Nervosität nach. Sie wagte einen Blick in seine Richtung und sagte: »Du musst mich für sehr albern halten.«
Er lächelte im schwindenden Licht. »Nein. Ich halte dich für anbetungswürdig.«
Sophy errötete. Da Simon ihr nie Komplimente gemacht hatte, war sie unsicher, wie sie reagieren sollte. Auf der Suche nach einem unverfänglichen Thema bat sie ihn schließlich: »Erzähl mir von Harrington Chase.«
Er zog die Schultern hoch. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es ist ein Herrenhaus aus elisabethanischer Zeit, das sich seit vielen Generationen im Besitz meiner Familie befindet, umgeben von einem Park, der für seine Schönheit berühmt ist. Hoffentlich gefällt es dir.«
»Bist du dort aufgewachsen?«, fragte sie neugierig.
Ives schüttelte den Kopf. »Nein. Mein Vater war der zweite Sohn, und ich wuchs im Pfarrhaus auf.«
Ein schalkhaftes Lächeln huschte über Sophys Gesicht. »Sag bloß, dass du Pfarrerssohn bist?«
Ives lachte und wechselte das Thema, indem er sie mit Geschichten aus seiner Militärzeit unterhielt. Ein paar Stunden später verlangsamte der Wagen die Fahrt und bog in die Zufahrt von Harrington Chase ein.
Mit der Zeit hatte Sophy sich in Ives' Gesellschaft entspannt, und er hatte keine Annäherungsversuche unternommen. Zumindest bleibt mir die Demütigung erspart, dass auch meine zweite Ehe auf dem Sitz einer Kutsche vollzogen wird, sagte sie sich. Doch sie spürte, wie ihre Anspannung stieg, als sie sich ihrem Ziel näherten.
Simons Liebesspiel hatte sie mit Abscheu erfüllt, sodass sie den kommenden Stunden mit Bangen entgegensah, obwohl Ives sie kaum an ihren ersten Mann erinnerte. Sie schluckte schmerzlich, ihre Hände waren feucht, in ihrem Magen herrschte Aufruhr. Nicht lange, und Ives würde zu ihr kommen und sie im vollsten Sinn des Wortes zu seiner Frau machen. Sie ängstigte sich davor. Bitte, lieber Gott, lass es nicht zu schlimm sein, betete sie.
Trotz der späten Stunde war das Haus hell erleuchtet. Sophy aber hatte wenig Zeit für erste Eindrücke, als Ives ihr eilig aus dem Wagen half und sie über die breite Treppe ins
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