Im Sturm der Gefuehle
Gewalt über ihr Leben. Er hat sogar noch meine Pistole, dachte sie ägerlich. Sie kniff die Augen zusammen. Er hatte verlangt, dass sie ihm trauen sollte. Es würde sehr interessant werden, wenn sein Vertrauen zu ihr auf die Probe gestellt würde.
Während sie sich praktischeren Dinge zuwandte und nach ihrer Zofe klingelte, schob Sophy diese Dinge von sich. Eine Stunde später verließ sie ihre Räume, nachdem sie gebadet hatte und ein zauberhaftes, rötlichgelbes Musselinkleid mit hellgrünen Seidenbändchen gewählt hatte. Ihr raffiniert auf dem Kopf hoch getürmtes Haar wurde von einem grünen, durch die goldenen Locken geschlungenen Band gehalten.
Sie schritt die breite Treppe ins Erdgeschoss hinunter und blieb ratlos stehen, während sie sich zu orientieren versuchte. Als ihr Blick auf einen schwarzen, samtenen Glockenzug in einer Ecke fiel und sie eben nach einem Diener läuten wollte, öffnete sich links von ihr eine Tür, und Ives trat heraus.
Verärgert, weil allein sein Anblick ihr Herz hüpfen ließ, sagte sie kühl: »Guten Morgen. Ich wollte eben nach einem Bedienten läuten.«
»Das ist nicht nötig«, sagte Ives lächelnd. »Ich wollte gerade nachsehen, ob du schon wach und bereit wärest, einen Rundgang durch das Haus zu machen und dir das Personal vorstellen zu lassen.«
»Darf ich vorher essen?«, fragte sie spitz.
Ives schmunzelte mit einem teuflischen Blitzen in den Augen. »Du hast wohl Appetit bekommen?«, murmelte er, während sein Blick mit offener Sinnlichkeit über ihr Gesicht und ihre Gestalt wanderte. »Ich werde dafür sorgen müssen, dass ich dich zufrieden stelle.«
»Das kannst du, indem du mich sofort ins Frühstückszimmer führst«, erwiderte sie rasch. Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet.
Er lachte und nahm ihren Arm, um sie den Korridor entlang in einen großen, luftigen Raum zu führen, der Ausblick auf einen penibel gepflegten Rosengarten bot.
Der Duft von Schinken, Speck und Räucherheringen stieg ihr in die Nase und machte ihr den Mund wässrig. Ohne einen Blick für die schöne Aussicht ging Sophy schnurstracks zum langen Büffett an der Wand gegenüber. Erst als sie gegessen und einige Tassen Kaffee getrunken hatte, war sie für den Rundgang in ihrem neuen Zuhause und für die Vorstellung des Personals bereit.
Ives ging daran, seine Braut mit Charme zu erobern. Als sie die wichtigsten Räume des Hauses besichtigt und das Personal begrüßt hatten und im Frühlingssonnenschein durch die ausgedehnten Gartenanlagen schlenderten, fühlte Sophy sich in seiner Nähe wohl und völlig entspannt. Sie hatte sofort gesehen, dass Harrington Chase ein gut geführtes und mit erfahrenem Personal ausgestattetes Landhaus war, ganz anders als das heruntergekommene, vernachlässigte Haus, in das Marlowe sie als Braut brachte. Aber schließlich, gestand sie sich verblüfft ein, war ihr zweiter Mann nicht wie ihr erster, wenn er in letzter Zeit auch betrübliche Neigungen in diese Richtung zeigte.
Es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass die Dienstboten ihren Herrn respektierten und liebten und dass Ives sie anständig behandelte. Wieder ganz anders als Marlowes Haltung seinen Leuten gegenüber. Nur mit Mühe riss Sophy ihre Gedanken von jener schlimmen Zeit los. Es war sinnlos, die beiden Männer ständig zu vergleichen, doch drängte sich ihr der Vergleich dieses Morgens mit ihren ersten jämmerlichen Tagen auf Marlowe House geradezu auf.
Als er ihre leicht nach unten gezogenen Mundwinkel sah, führte Ives sie zu einer kleinen beschatteten Bank, forderte sie auf, sich zu setzen, und nahm neben ihr Platz. Ihre Hand festhaltend, fragte er: »Was ist, mein Schatz? Gefällt dir etwas nicht?«
Sophy schluckte und ließ ein scheues Lächeln aufblitzen. »Aber nein. Es ist nichts, was mir nicht gefiele. Haus und Garten sind wunderschön, das Personal überaus zuvorkommend. Sicher werde ich hier ... recht zufrieden sein.«
Entschlossen, nicht zu drängen, nickte Ives und murmelte: »Wenn ich als Junge zu Besuch kam, war es für mich immer ein verzauberter Ort. Nie hätte ich gedacht, dass es einmal mir gehören würde.«
»Es muss sehr hart gewesen sein, so viele Angehörige auf so tragische Weise zu verlieren. Ein Bootsunfall, nicht?«
Ein Muskel zuckte in Ives' Wange.«Ja, die Folge einer Wette.«
Sophys Herz sank. Falls es der Bestätigung bedurft hätte, dass Ives das Glücksspiel im Blut lag und sein Verhalten in jüngster Zeit nicht nur eine vorübergehende Laune war,
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