Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Lippen nach, die noch feucht vom Quellwasser waren. Als seine Hand ihr Kinn umfasste und ihren Kopf zärtlich und fordernd zugleich anhob, erschauerte Charlotta erneut und schloss die Augen. Die schmetterlingsleichte Berührung seiner Lippen durchfuhr sie wie ein Strom glühender Hitze, der ihren Willen und ihren Verstand erlahmen ließen. Ein ungekanntes Verlangen durchströmte ihren Körper. Und als er behutsam mit seiner Zunge zwischen ihre Lippen drang, öffnete sie sich ihm bereitwillig. Obwohl Charlotta noch nie zuvor so geküsst worden war, schmeckte sie auf Anhieb das köstliche Aroma des Begehrens und den wilden Geschmack der Lust. Sehnsucht weckte dieser Kuss, der so fordernd und zärtlich zugleich war. Nur einen winzigen Lidschlag lang dachte sie an die Ungehörigkeit dieser Handlung. Wie kam dieser Fremde dazu, sie einfach zu küssen? Und während ihr Verstand ihr wie aus weiter Ferne gebot, diesem Treiben Einhalt zu gebieten und dem fremden Mann mit einer Ohrfeige für sein ungebührliches Verhalten zu strafen, gab sich ihr Gefühl ganz und gar diesem köstlichen Rausch hin, den seine Lippen in ihr entfacht hatten. Sie spürte, wie sich ihrer beider Atem vermischte, zu einem einzigen wurde. Langsam erforschte seine Zunge ihren Mund. Charlotta ließ es staunend geschehen, doch dann wurde sie mutiger und erwiderte seinen Kuss.
»Wer seid Ihr?«, fragte sie noch einmal, als sein Mund den ihren schließlich freigab. »Wie ist Euer Name? Wo kommt Ihr her?«
Der Mann lachte leise. Er hatte sich neben ihr auf der Bank niedergelassen, und sein Geruch von Männlichkeit drang in Charlottas Nase als das köstlichste Aroma, das sie je gerochen hatte.
»Vasco da Gama heiße ich«, erwiderte der Fremde und lachte noch einmal leise auf. Dann nahm er ihre Hand und fuhr zärtlich die Linien in ihrem Inneren nach, beugte sich über sie, brachte mit seinem heißen Atem ihren Puls zum Rasen. Wieder schloss Doña Charlotta die Augen, als sein Mund über die zarte Innenseite ihres Unterarms bis hoch zur Armbeuge glitt. Wieder schwanden ihr beinahe die Sinne und sie musste sich zusammenreißen, um nicht leise aufzustöhnen.
»Vasco da Gama?«, fragte sie mit matter Stimme und bebenden Lippen, die noch immer nach seinem Kuss schmeckten.
»Vasco da Gama? Portugiesisch-königlicher Admiral zur See?«
»Genau der, schöne Tochter des höchsten Admirals zur See, schöne, begehrenswerte Doña Charlotta de Alvarez.«
»Ihr kennt mich?«, fragte Charlotta verwundert.
»Wer kennt Euch nicht?«, fragte Vasco da Gama zurück. »Die ganze Stadt spricht von nichts anderem als von Eurer Schönheit.«
Noch ehe Charlotta weiterfragen konnte, drangen Rufe durch den königlichen Garten. Dom Alvarez war es, dem das Fernbleiben seiner Tochter aufgefallen war.
Charlotta schrak zusammen, als sie die Stimme ihres Vaters hörte. »Ich muss gehen«, sagte sie und stand widerstrebend auf.
Doch auch Vasco da Gama erhob sich. »Glaubt nicht, dass ich Euch allein gehen lassen werde.«
Obwohl er lächelte, klang seine Stimme entschlossen und Charlotta dachte daran, dass ihr erster Eindruck wohl mit seinem Wesen übereinzustimmen schien. Vasco da Gama war ein Mann, der wusste, was er wollte und nicht eher ruhte, bis er es bekam.
Er griff nach ihrer Hand, pflückte mit der anderen eine glutrote Hibiskusblüte von einem Strauch, führte sie an seine Lippen und steckte sie in Charlottas Haar.
Von diesem Tag an waren sie unzertrennlich. Beinahe jeden Abend kam Vasco da Gama in den Palazzo der Alvarez’, um Charlotta zu sehen. Und auch Charlotta lebte nur noch für die wenigen Stunden, die sie am Abend bei endlosen Strandspaziergängen mit Vasco da Gama am Meer verbrachte. Dom Alvarez war glücklich gewesen über die Wahl seiner Tochter. Er hielt Vasco da Gama, der zwar kein Graf war, dessen Familie aber doch dem Adel angehörte, für einen viel versprechenden jungen Mann, der alles besaß, was einen richtigen Mann und zukünftigen Vater seiner Enkel ausmachte: Klugheit, Ehrgeiz, Mut und den festen Willen, dem eigenen Geschlecht Ehre zu machen.
Mit einem nachsichtigen Lächeln ließ der alte Dom Ernesto die beiden Verliebten allein, obwohl dies einem Mädchen aus gräflichem Hause eigentlich erst nach der Verlobung gestattet war. Doch Dom Ernesto wusste noch genau, wie damals die Leidenschaft in ihm gebrannt hatte, als er Charlottas Mutter kennen lernte. Aber er vertraute seiner Tochter und auch Vasco da Gama und wusste, wie zerbrechlich ein
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