Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Finger kneteten nervös den feinen Stoff ihres weißen Kleides. Dom Alvarez schmerzte es, seine über alles geliebte Tochter so verzweifelt zu sehen. Es brach ihm fast das Herz, doch er würde Charlotta zwingen müssen, seinem Wunsch Folge zu leisten. Ihre Zukunft lag nicht mehr in seinen Händen.
»Du wirst Dom Pedro de Corvilhas heiraten, mein Kind. Sobald Vasco da Gama für tot erklärt worden ist, wird die Verlobung stattfinden. Schon morgen wird er kommen, um den Termin festzulegen.«
Charlotta sprang auf. Ihre wilden roten Locken umtanzten ihr Gesicht wie ein Feuersturm, ihre Augen sprühten. Sie stand wutentbrannt vor ihrem Vater.
»Niemals! Niemals werde ich Dom Pedro heiraten. Ich liebe Vasco und nichts auf der Welt kann daran etwas ändern.«
»Auch der Tod nicht?«, fragte Dom Alvarez, um Ruhe bemüht.
»Die Liebe ist stärker als der Tod, Vater«, erwiderte Charlotta. »Du selbst hast es erlebt.«
Dom Alvarez nickte traurig. Charlotta hatte Recht. Auch er liebte seine verstorbene Frau noch immer, und keine Frau nach ihr hat es je vermocht, ähnliche Gefühle in ihm zu erwecken, keine würde jemals ihren Platz in seinem Herzen einnehmen können. Es stimmte, die Liebe war stärker als der Tod. Doch auch die Einsamkeit, die kam, sobald das Liebste begraben war, wollte Dom Alvarez seiner Tochter ersparen. Diese Einsamkeit, die des Nachts neben ihm im Bette schlief und auch bei Tag nicht von seiner Seite wich. Diese grenzenlose Leere, die seit dem Tod der Doña Alvarez seine ständige, düstere Begleiterin war und dafür sorgte, dass selbst über dem strahlendsten Sonnentag ein dunkler Schleier lag. Ein Schleier, der in den letzten beiden Wochen einen noch düstereren Farbton angenommen hatte und jeden Tag, an dem das Meer still und unberührt in der Sonne glitzerte, überschattete.
Tränen rannen über Doña Charlottas Gesicht und ihr Schluchzen hallte durch den hohen Raum. »Niemals werde ich Dom Pedro heiraten. Niemals!«, weinte sie. Dom Alvarez zog seine Tochter in die Arme, spürte ihr verzweifeltes Schluchzen und strich ihr behutsam über die zuckenden Schultern, unfähig, die richtigen Worte des Trostes zu finden.
»Du bist jung, Charlotta. Bald wirst du Vasco vergessen haben. Dom Pedro ist ein stattlicher Mann. Er wird dir viele Kinder und mir die erwünschten Erben schenken. Du wirst keine Not leiden bei ihm, dafür sorge ich schon.«
»Ist das alles, was dir wichtig ist? Deine Erben? Und ich? Bedeute ich dir gar nichts? Wie kannst du verlangen, dass ich einen Mann heiraten soll, den ich nicht liebe, ja, nicht einmal sympathisch finde! Niemals werde ich Dom Pedro heiraten!«
Dom Alvarez stöhnte auf. Er hatte gehofft und gebetet, dass ihm dieser Schritt erspart bliebe, doch alles Hoffen war wohl vergebens gewesen. »Wenn du ihn nicht freiwillig zum Mann nimmst, so werde ich dich dazu zwingen müssen, Charlotta. Du bist eine Frau, bist meine Tochter und schuldest mir Gehorsam. Versteh doch, Kind, es ist das Beste für uns alle. Du bist Dom Pedro seit Kindertagen versprochen, und du weißt, was es bedeutet, ein solches Versprechen zu brechen.«
Dom Alvarez wollte nach Charlotta greifen, ihr beruhigend über die Schultern streichen, doch das Mädchen wich ihm aus.
Charlotta schüttelte nur verzweifelt ihre rote Haarpracht, dann riss sie sich los und stürmte aus der Halle. Sie lief die schattige Allee hinab, als würde sie von tausend Teufeln verfolgt, eilte durch die Gassen, ohne nach rechts oder links zu sehen. Blind vor Tränen achtete sie nicht auf die Grüße, die ihr zugerufen wurden, stolperte über ein herumliegendes Holzstück und verlor dabei ihren Schuh. Doch sie lief weiter, schneller und immer schneller, als hoffe sie, ihrem Kummer dadurch zu entkommen.
Erst am Strand machte sie Halt und ließ sich schwer atmend in den Sand fallen, der trotz der frühen Morgenstunde schon erwärmt war. Tränen liefen ihr in wahren Sturzbächen über die Wangen, tropften auf ihr Kleid und durchnässten den feinen Stoff. Verzweifelt presste sie ihre Hände gegen die Brust, um ihr verwundetes Herz zu schützen, doch für sie gab es nun keinen Schutz mehr.
Lange dauerte es, bis Doña Charlotta sich beruhigt hatte. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und sandte ihre heißen Strahlen auf die Erde, als Charlottas Tränen endlich versiegt waren. Doch der Schmerz und die Enttäuschung über ihren Vater brannten weiter in ihrem Innern. Auf einmal war sie erschöpft und schrecklich müde, doch
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