Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)

Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)

Titel: Im Sturm der Leidenschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Thorne
Vom Netzwerk:
Spiegel der Meeresoberfläche und dem Rauschen des Wassers. Eine schmerzhafte Sehnsucht in ihrer Brust zog sie näher und näher an den Rand des unendlichen Blaus.
    Schon hatte sie die Klippen hinter sich, schon rollten die ersten Wellen bis vor ihre Füße. Mit beiden Händen raffte Doña Charlotta ihr weißes Kleid, stand noch einen Augenblick still, den Blick unverwandt auf den Horizont gerichtet. Wie eine Märtyrerin stand sie da. Winzig vor den ungeheuren Weiten des Ozeans, dem sie furchtlos ihren Leib übergeben wollte. Eine schmale, hoch aufgerichtete Gestalt, deren rotes Haar ihr über die Hüften floss. Behutsam, aber voller Entschlossenheit wagte sie den ersten Schritt, erschauerte ein wenig bei der Berührung des kalten Wassers. Das Salz brannte in den Wunden, die sie sich beim Herunterklettern von den Klippen zugezogen hatte, doch Doña Charlotta spürte diesen Schmerz nicht. Sie sah auf das Meer, dessen Wasser bereits ihre schmalen Knöchel umspülten, dann faltete sie die Hände und sprach langsam ein Gebet: »Heilige Jungfrau Maria, verzeih, dass ich das Leben, welches Gott mir schenkte, zurückgebe und mich einer Todsünde schuldig mache, die mir die Hölle bescheren wird. Doch die Hölle erschreckt mich nicht. Ich hätte sie auch auf Erden, an der Seite Dom Pedros, als seine Gemahlin. Doch lieber nehme ich die Hölle in Kauf, als die große Liebe meines Lebens, Vasco da Gama, zu verraten. Heilige Jungfrau Maria, steh mir bei und verzeih mir.«
    Als sie dieses Gebet gesprochen hatte, raffte sie wieder ihre Röcke und ging nun entschlossen Schritt für Schritt in das kalte Wasser des unendlichen Ozeans hinein.
    Schon umspülte das Meer ihre Knie. Die Sonne machte sich zur Nachtruhe bereit. Sie sank in das weiche Kissen des Horizonts und färbte den Atlantik mit ihren glühenden Strahlen rot, so dass er wie flüssiges Feuer aussah. Flüssiges Feuer, in dem eine winzige Menschengestalt unaufhaltsam versank. Schon reichte ihr das Wasser bis zu den Hüften, doch Charlotta hielt nicht inne, lief weiter, Schritt für Schritt dem kalten Tod entgegen. Sie hatte sich bereits viele Meter vom Ufer entfernt, sah nicht mehr die alte Frau, die sich bekreuzigte und dann nach einem jungen Mann rief, der ganz in ihrer Nähe ein altes Fischerboot mit Pech bestrich und von dieser Tätigkeit ganz in Anspruch genommen war und nichts von dem Geschehen ringsum wahrnahm.
    Weiter lief Charlotta, immer weiter. Sie hatte die Welt mit ihren Freuden und Kümmernissen bereits hinter sich gelassen. Sie vertraute sich dem Ozean an wie einem Freund, spürte die Kälte des Wassers wie einen Trost auf ihrem brennenden, wunden Herzen. Noch ein Schritt und das kühle Nass benetzte ihre Brüste. Charlotta musste sich ein wenig nach vorn beugen, um den Wellen zu trotzen, die sie zurück ans rettende Ufer bringen wollten. Jeder Schritt kostete Mühe, doch sie gab nicht auf, hielt nicht inne, erkämpfte sich jeden Tritt.
    Das Wasser reichte ihr nun bis zum Hals. Wie viele Schritte waren es noch bis zum Tod? Zwei, drei? Wann würde die erste kleine Woge in ihren Mund dringen? Wann würde Charlotta das beißende Salz auf ihrer Zunge schmecken? Wie viele Meter noch, bis das Wasser über ihrem Kopf zusammen schlug und sie hinabriss in die Tiefe?
    Noch könnte sie umdrehen, noch könnte sie zurückgehen, sich den Weg zurück durch die Wellen erkämpfen, ans Ufer gelangen und ihr Leben dort aufnehmen, wo sie es heute Vormittag bei der Flucht aus dem Palazzo de Alvarez abgebrochen hatte.
    Das Wasser reichte Charlotta bis zum Kinn. Nur ein Schritt trennte sie noch vom Tod. Sie hielt inne, reckte den Kopf, um noch einen letzten Blick auf den Horizont werfen zu können. Vielleicht spürte Vasco da Gama ihre Bedrängnis? Ganz sicher spürte er sie, so er noch am Leben war. Die Flotte müsste auftauchen, die Segel hart am Wind und mit Kurs auf die Küste.
    Doch der Horizont blieb still und leer. Keine Karavelle war weit und breit zu sehen, nicht einmal ein Fischerboot. Schon hob Doña Charlotta de Alvarez das Bein, um den letzten, alles entscheidenden Schritt zu wagen und ihrem jungen Leben ein Ende zu setzen, als sie plötzlich eine seltsame Kraft spürte, die nach ihrer Taille fasste. Eine Kraft, die an ihr riss, so dass sie den Halt verlor und unter Wasser geriet. Mit weit aufgerissenen, vor Schreck starren Augen sah sie den Meeresgrund vor sich, sah den Sand, der von Muscheln durchsetzt war. In schnellen Bildern zog ihr Leben an ihr vorbei. Noch

Weitere Kostenlose Bücher