Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
waren nicht mehr blass, sondern frisch und rosig. Die Stimmung unter den Gästen war übermütig. Wie immer, wenn man einem drohenden Unglück gerade noch einmal entgangen war, kehrte die Freude am Leben in ungestümem Maße zurück, so als wolle sich jeder davon überzeugen, dass er noch lebte. Jeder sprach dem Wein übermäßig zu, um zu vergessen, wie zerbrechlich die eigene Existenz doch war. Die Frauen hatten gerötete Wangen und blitzende Augen, die Männer schlugen den Mägden auf den Po, grabschten nach deren Brusttüchern, lachend und lallend. Schwül wie die Luft vor dem Gewittersturm lag jetzt ein merkwürdig wollüstiges Begehren im Raum. Die Musiker spielten süße Romanzen und einer sang dazu ein Lied, dass von Liebe, Leidenschaft und Tod erzählte.
Die Tafel bog sich unter den Köstlichkeiten. Schüsseln voller gefüllter, in Rosenwasser, Zimt und Zucker gekochter Täubchen wurden gereicht, gefolgt von in Rotwein gekochtem Schinken, Kapaun mit Zitronenscheiben und Zucker, gegrillten Austern und gesottenen Schnepfen, Lammragout mit Honig, dazu leckere Kuchen und Törtchen, gebrannte Mandeln, kandierte Früchte und vielerlei Sorten Wein.
An den unglückseligen Ring, den Charlotta noch immer trug, dachte niemand mehr. Nur Dom Pedro hatte ihn nicht vergessen.
Es war bereits Nacht, als Charlotta die Halle verließ, um im Garten ein wenig frische Luft zu schnappen. Das Fest war noch in vollem Gange. Die Musiker spielten zum Tanze auf, die Frauen kreischten über die Zoten der Männer, um sich gleich darauf eng an sie zu schmiegen.
Mieder wurden gelockert, Brusttücher gelüftet. Die Halle glühte, die Luft war von den Duftwässern der Damen und den Essensgerüchen erfüllt und schwer wie ein Rausch.
Einige der Mägde lehnten halb schlafend an der Wand, bereit, beim kleinsten Befehl zu erwachen und nach dem Gewünschten in die Küche zu eilen.
Charlotta genoss die Frische der Nachtluft. Sie hatte sich ein Tuch um die Schultern gelegt und schlenderte langsam, die Ruhe und Stille genießend, durch den Park. Die Bediensteten hatten inzwischen aufgeräumt, so dass nichts mehr an den Sturm erinnerte. Die Bäume standen reglos, nur der Wind, der leise mit den Blättern spielte und das gleichmäßige Plätschern des Brunnens war zu hören.
Charlotta setzte sich auf eine Marmorbank, die etwas versteckt zwischen zwei großen Oleanderbüschen stand, und sann über den Tag nach. Als sie an ihren Tanz im Sturm dachte, musste sie lächeln. Ich bin nicht verrückt, dachte sie. So wenig, wie alle anderen. Doch genau wie die meisten anderen glaubte auch sie an Zeichen, Orakel und Wunder. Juana hatte ihr erzählt, dass Gott bei einem Gewitter mit seinen riesigen Fäusten den Himmel aufriss, um zu sehen, was seine Schäfchen auf Erden taten. Alle, die Charlotta kannte, glaubten, dass Gottes Blick auf die Erde von einem gewaltigen Blitz begleitet wurde. Und genau in diesem Augenblick hatte sie nach Vasco gerufen. Gott musste sie gehört haben, wusste nun, dass sie ihren Liebsten nicht verraten und nicht vergessen hatte. Wenn Gott sie aber gehört und ihre Not erkannt hatte, dann würde er ihr bestimmt Vasco da Gama bald wieder geben. Charlotta wusste, dass er noch lebte. Sie konnte ihn fühlen und manchmal, in tiefer, stiller Nacht sogar seine Stimme hören.
Doch die Stimme, die sie jetzt hörte, war nicht die Vascos, sondern eindeutig die von Dom Pedro. Vorsichtig rückte Charlotta noch näher an den Oleanderbusch heran, um sich in dessen dichten Zweigen zu verbergen. Der Mond stand hell am Himmel und erleuchtete mit seinem silbernen Licht den Park.
Ganz deutlich sah sie nun Dom Pedro, der seinen Arm um eine Magd gelegt hatte und sie auf eine Bank führte, die ganz in der Nähe von Charlottas Platz stand. Die Magd war nicht mehr jung, hatte das zwanzigste Lebensjahr längst hinter sich gelassen. Ihre einstige Schönheit war bereits am Verblühen, ihr Körper schwer geworden und Charlotta wusste, dass sie bereits zwei Kinder geboren hatte, die auf dem Land bei ihren Eltern lebten, denen die Magd ihren ganzen Verdienst schickte. Einen Mann hatte sie nicht, war Witwe seit vielen Jahren schon und doch noch jung genug, um sich nach ein wenig Zärtlichkeit zu sehnen.
»Deine Schönheit, mein Herz, hat mich geblendet«, schmeichelte Dom Pedro der Magd. »Den ganzen Abend lang hatte ich nur Augen für dich.«
Die Magd kicherte. Dom Pedro beugte sich über sie. Sein weinhaltiger, saurer Atem streifte über ihr Gesicht, seine
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