Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
und jeder konnte sehen, dass er Charlotta am liebsten geschlagen hätte. Sie hatte ihn zum Narren gemacht, hatte ihn bloßgestellt, vor aller Augen gedemütigt. Eindrucksvoller als in diesem Augenblick hätte sie nicht zum Ausdruck bringen können, wie sie zu ihrem Verlobten stand. Keine Spur von Gehorsam und Ehrerbietung dem Bräutigam, dem Manne gegenüber. Doch ein Weib war dem Manne Untertan. Und wenn Charlotta dies bis heute nicht begriffen hatte, so war es an der Zeit, dass Dom Pedro ihr dies klar machte. Beinahe warf er den Ring auf den Tisch, packte mit der rechten Hand Doña Charlottas zartes Handgelenk, so dass sie schmerzlich das Gesicht verzog. Mit der linken versuchte er, ihr den Ring da Gamas von der Hand zu ziehen. Vergeblich. So viel und so oft er auch daran zog und zerrte, der Ring rührte sich nicht. Ganz rot war Dom Pedros Gesicht. Er hatte die Zähne vor Anstrengung und unterdrückter Wut fest zusammengebissen, sein Kinn war kantig und auf der Stirn wuchs seine Zornesader mit jedem Lidschlag an. Die Gäste sahen dem Kampf stumm und mit großem Interesse zu. In einigen Gesichtern konnte man Mitleid, in anderen Häme lesen. Eine Situation, die man seinem ärgsten Feind nicht wünscht, die einen jedoch erfreut, kann man als Zeuge daran teilnehmen.
»Bemüht Euch nicht, Dom Pedro«, durchschnitt Doña Charlottas Stimme die Stille. »Ihr werdet den Ring nicht abbekommen. Bei dieser Wärme schwellen die Finger an. Ihr müsst warten, bis der Herbst und mit ihm die Kälte kommt.«
»Einen Schmied werde ich holen, der dir den Ring vom Finger schneidet«, fauchte Dom Pedro und machte einem Knecht ein Zeichen. Doch Doña Charlotta schüttelte den Kopf und hielt ihm ihre beringte Hand vor die Augen. »Seht selbst: Der Schmied müsste meinen Finger verletzen, um den Ring zu durchtrennen. Ich bin sicher, Ihr werdet nicht wollen, dass Eurer Braut Schmerz zugefügt wird. Geht gar mein ganzer Finger verloren dabei, so ist auch kein Platz mehr für Euern Ring an meiner Hand.«
Ganz fest sah Doña Charlotta Dom Pedro in die Augen, als sie diese Worte sprach. Sie konnte sehen, wie Dom Pedros Kiefern mahlten und seine Zähne knirschten. In seinen Augen loderte die Wut wie ein Höllenfeuer.
»Und ich sage dir, Weib, du wirst meinen Ring tragen«, zischte er, außer sich vor Empörung.
Im selben Augenblick brach das Unwetter los. Eine Sturmböe heulte durch den Park, fuhr unter das Segeltuch und riss es fort. Die hölzernen Läden am Palazzo klapperten laut und klagend eine unheilvolle Melodie. Die Girlanden und Orangen fielen von den Bäumen und in der Ferne donnerten die Wellen gegen die Klippen. Der Himmel war schwarz, beinahe ganz schwarz. Nur am Horizont war ein Streifen schwefelgelben Lichtes zu sehen. Die Gäste sprangen auf. Stühle und Bänke stürzten zu Boden, eine weitere Böe warf die Festtafel um, Pokale, Becher, Tabletts und Leuchter fielen auf den gefärbten Kies und zerbrachen. Die Frauen schrien, klammerten sich an ihre Männer und eilten unter deren Schutz zum Eingang des Palazzos, um sich in Sicherheit zu bringen. Doch sie kamen nicht weit. Der Himmel öffnete alle Schleusen und schickte einen Regen auf die Erde, der alles zu ertränken drohte. Im Nu waren die schweren Kleider der edlen Gäste durchweicht, die Frisuren lösten sich auf und das Haar hing ihnen in klatschnassen Strähnen ins Gesicht.
Knechte und Mägde rannten wie aufgescheuchte Hühner von der Küche zum Festplatz, versuchten zu retten, was nicht mehr zu retten war. Eine Magd weinte laut und angstvoll, ein alter Knecht blickte bange zum Himmel und bekreuzigte sich.
Nur Charlotta hatte sich keinen Zentimeter bewegt. Noch immer hoch aufgerichtet, mit zurückgezogenen Schultern und den Kopf zum Himmel gewandt stand sie da wie eine Statue. Langsam, als würde der Regen ihr nichts anhaben, der Sturm sie verschonen, hob sie die Hände zum Himmel und begann sich zu drehen. Zuerst langsam und gemessen, dann schnell und immer schneller.
Die Gäste standen nun am Eingang zur Halle, wischten sich mit Tüchern, welche die Mägde herbeigeholt hatten, die Gesichter trocken und sahen dabei diesem seltsamen Treiben Charlottas zu.
Noch immer drehte diese sich mit erhobenen Armen. Der Schleier war ihr vom Kopf gefallen und ihr rotes Haar wirbelte ihr wie Flammen um den Kopf. Sie hielt ihr Gesicht dem Regen entgegen, bot sich dem Unwetter dar wie eine Göttin aus alten Zeiten, zum Opfer bereit. Wieder war sie zum Weib geworden, für das die
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