Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
allmählich. Er rief nach seinem Bediensteten und hieß ihn barsch, ihm die Kleider zu bringen. Eine Magd kam und kehrte mit zitternden Händen die Scherben zusammen, während Dom Pedro im Nachtgewand am Fenster stand, wütenden Blicke auf die Flotte warf, die nah und näher kam. Schon konnte er an Bord der Sao Gabriel Fässer aus fremden Hölzern erkennen, riesige Tuchballen und Kisten, die dicht mit Pech verschmiert waren, um die Waren darinnen vor den Wettern zu schützen. Dom Pedro wusste von seinen Reisen nach Indien, dass nichts anderes als Gewürze in diesen Kisten sein konnten. »Verflucht sei der Tag, an dem deine Mutter dich geboren hat, da Gama!«, fluchte er, denn nun stand fest, dass da Gama nicht nur heil und ins Königreich Portugal gekehrt war, sondern obendrein den Seeweg nach Indien entdeckt hatte. Fünf Prozent! Diese Zahl schwirrte in seinem Kopf herum. Fünf Prozent aller Einkünfte! Unermesslich reich würde da Gama werden. Ruhm, Macht und soviel Geld, um sich alles zu kaufen, was er sich nur wünschte: Diamanten, feine Stoffe und Frauen. Frauen, so jung und knackig wie Maiäpfel mit festen Gesäß, straffen Brüsten und einer Haut, so milchweiß und zart wie Sahne.
Bei diesem Gedanken fiel ihm Charlotta ein, und erneut loderte die Wut wie eine Stichflamme durch seinen massigen Körper. »Verdammt!«, schrie er und hieb mit der Faust auf das marmorne Fensterbrett. »Verdammt, ich muss verhindern, dass dieses närrische Geschöpf zum Hafen rennt, sich vor aller Augen in die Arme dieses Halunken wirft und mich wieder einmal zum Gespött der Leute macht.«
Er drehte sich um, schlüpfte ungewaschen in seine Kleider und stürmte aus dem Haus.
Wie von tausend Teufeln gehetzt rannte er zum Palazzo de Alvarez, doch dort traf er niemanden mehr an. Nur die alte Köchin saß auf einer wackeligen Holzbank neben der Küchentür und wärmte ihre Glieder in der Morgensonne.
»Zum Hafen sind sie«, erklärte sie dem Grafen de Corvilhas nicht ohne leise Genugtuung. »Sie wollen sehen, wie da Gama anlegt. Selbst die Knechte und Mägde haben alles stehen und liegen gelassen.«
Mit einem ausgesprochen zufriedenem Ausdruck im Gesicht rutschte sie ein wenig auf der Bank hin und her, um die bequemste Stellung zu finden, verschränkte die Hände vor ihrem Bauch, schloss genüsslich die Augen und überließ den zornroten Corvilhas seinem Schicksal, das im Augenblick nicht das Beste verhieß.
Dom Pedro stand verloren vor der Eingangshalle und überlegte, ob es ratsam wäre, selbst zum Hafen zu laufen. Einerseits würde er so den Überblick behalten und alle Neuigkeiten über die Ankunft der Entdeckungsreisenden aus erster Hand erfahren. Gleichzeitig könnte er dabei auch Charlotta im Auge behalten. Andererseits war er nur halb angezogen und wusste überdies auch nicht, ob er wirklich so genau wissen wollte, was derzeit am Hafen geschah.
Während er noch dastand, mit der Hand über sein ungekämmtes Haar fuhr und sich der Unzulänglichkeit seiner Kleidung bewusst wurde, trat Dom Ernesto de Alvarez aus dem Haus.
»Guten Morgen, Dom Pedro«, grüßte der alte Admiral gut gelaunt und betrachtete schmunzelnd den Aufzug seines künftigen Schwiegersohnes. Sein Blick glitt über das goldfarbene Beinkleid, das sich mit dem frühlingsgrünen Wams um die Vorherrschaft der Farben stritt. Das bereits verblichene Leinenhemd, das Dom Pedro hastig über die nackte Brust gezogen hatte, hing hinten aus Wams und Beinkleid heraus und gestattete von vorn einen tiefen Einblick auf Corvilhas Brust, die von störrischen, schwarzen Haaren überwuchert war.
Dom Pedro bemerkte den Blick und nestelte hastig an seinen Kleidern herum, um zu retten, was noch zu retten war. Mit fahrigen Händen stopfte er das Hemd zurück unter das Wams, schloss die Schnalle am Hals, strich sich glättend über die Beinkleider. Da ertönte aus dem Hafen die Schiffssirene und kündigte an, dass die Karavellen die Fahrrinne erreicht hatten und bereit waren, die Anker zu werfen und am Kai festzumachen.
Mit einer wegwerfenden Handbewegung ließ er seine Kleidung fahren.
»Zu Doña Charlotta wollte ich, zu meiner Verlobten«, presste er zwischen den Zähnen hervor und sah Dom Ernesto herausfordernd an. »Ich hoffe, sie ist dort, wo eine junge Frau ihres Alters und ihres Standes um diese Zeit hingehört: an den Stickrahmen.«
»Ich muss Euch leider enttäuschen, mein lieber Dom Pedro. Aber Charlotta macht sich, wie Ihr wisst, nicht sehr viel aus den Tätigkeiten,
Weitere Kostenlose Bücher