Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Monate war die indische Prinzessin nun auf dem europäischen Kontinent gewesen und sie war bei Gott nicht besonders gastfreundlich behandelt worden. Charlotta konnte gut verstehen, dass sich die junge Frau zurück in die Heimat sehnte. Überraschend war nur, dass Dom Pedro Suleika versteckt hielt. Aber nur sie kannte den Weg zu neuen Schätzen, und der Kapitän konnte anscheinend auf ihre Lotsendienste nicht verzichten. Wahrscheinlich würde er sie aus ihrem Versteck befreien, so bald die Sao Manuel auf offener See und außerhalb der Küste fuhr.
Vasco da Gama war es irgendwie gelungen, die Mannschaft so im Zaum zu halten, dass Suleika an Bord kein Leid geschah. Dom Pedro hingegen regierte seine Leute mit harten Worten und Schlägen. Käme es zu einer Meuterei, so wäre Suleikas Leben nicht sicher – und das ihre auch nicht.
Sie musste also dafür sorgen, dass die Mannschaft im Falle eines Falles auf ihrer Seite stand. Sie dachte an Jorges, ihren jungen Freund. Dom Ernesto hatte dafür gesorgt, dass er auf der Sao Manuel als Matrose anheuerte. Der Junge selbst hatte ihr einen Dolch gezeigt, den der alte Admiral ihm geschenkt hatte. Charlotta lächelte, als sie daran dachte. So lange Jorges an Bord war, konnte sie sicher sein, dass ihr nichts geschah.
Wieder schweiften ihre Gedanken zu Suleika. Zu gern hätte Charlotta gewusst, was zwischen ihr und Vasco da Gama für ein Verhältnis bestand. Zu gern ließe sie sich darüber berichten. Doch gleichzeitig hatte sie Angst, Dinge zu hören, die sie im Grunde nicht wissen wollte, die ihr möglicherweise wehtaten. Was plante der neu ernannte Graf von Vidiguera? Ob Suleika mehr darüber wusste?
Charlotta war wohl ein wenig eingeschlafen, denn plötzlich wurde sie von einem höllischen Lärm geweckt. Der Krach kam von oben, von Deck. Männer riefen, sie hörte Schläge und Schreie. Etwas Schweres polterte zu Boden und rollte scheppernd über die Holzplanken.
Sofort sprang sie aus ihrer Koje, hastete den schmalen Schiffsgang entlang und erklomm die Leiter, die auf das Deck führte.
Die Dämmerung war bereits herabgesunken und hatte das Meer in eine endlose graue Fläche verwandelt. Ringsum war Wasser, nichts als Wasser. Ein Blick zurück klärte Charlotta darüber auf, dass auch Lissabon, ihre weiße Heimatstadt, die sich über sieben Hügel erstreckte und vom Castello de Sao Jorges, vom Sitz des Königs, überragt wurde, bereits in der Ferne verschwunden war.
Charlotta stieg aus der Luke und ging zum Vorderdeck der Sao Manuel. Der Wind war stärker geworden und zerrte an ihrem Kleid, riss an der Haube. Die Segel blähten sich und knatterten ohrenbetäubend.
Als sie den vorderen Teil des Schiffes erreicht hatte, erstarrte sie. Die Szene, die sich ihr darbot, übertraf alles Schlimme, was sie je über Dom Pedro gedacht oder gewusst hatte.
Direkt vor dem Hauptmast stand er breitbeinig, nur mit seinen Beinkleidern, den festen Stiefeln und einem weißen Hemd bekleidet, das halb offen war. In der rechten Hand hielt er eine siebenschwänzige Peitsche und ließ diese gerade mit aller Kraft auf den nackten Rücken des Schiffsjungen niedersausen, der vor Schmerz laut aufstöhnte. Charlotta trat näher und erkannte, dass der Rücken des Jungen bereits zahlreiche rote Striemen aufwies. An manchen Stellen war die Haut bereits aufgerissen und das Blut rann in dünnen Rinnsalen über den nackten, geschundenen Leib.
Wieder hob Dom Pedro die Peitsche, da warf sich Charlotta mit einem Schrei in seine Arme: »Aufhören! Sofort aufhören! Ihr schlagt den Jungen ja tot!«
Der Kapitän hielt inne. »Was hast du hier zu suchen? Scher dich in deine Kabine und störe mich nicht bei der Arbeit.«
Er schob sie grob zur Seite und hob erneut den Arm zum Schlag, doch Charlotta hielt die Peitsche mit beiden Händen umklammert.
Der Junge, der an den Mast gebunden war, sackte zusammen. Ein heiseres Wimmern kam aus seiner Kehle. Ein alter Matrose mit einer schwarzen Klappe über einem Auge und langem, schlohweißen Haar hielt dem Schiffsjungen einen Becher Wasser an die Lippen.
Unerschrocken wandte er sich an den Kapitän. »Ich denke auch, dass es nun reicht. Wenn Ihr weiter auf ihn einprügelt, taugt er nicht mehr zur Arbeit.«
Auch die anderen Mitglieder der Mannschaft begannen leise zu murren. Ein junger Mann mit einer Kochschürze trat hervor. »Lasst ihn gehen, Kapitän«, sagte er. »Was ist schon passiert? Ein Fass Öl hat er umgestoßen, doch es ist nicht ein einziger Tropfen
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